Portrait
Angekommen im Traumjob
Seit zwei Jahren leitet die Astrobiologin Pascale Ehrenfreund das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Den Wechsel ins Management hat sie nicht bereut.
Als sich Pascale Ehrenfreund im Helikoptersimulator anschickte, einen Techniker auf ein Windkraftwerk abzuseilen, spürte sie wieder diese Faszination: Es war vor etwa anderthalb Jahren, kurz nach ihrer Berufung zur Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), sie besuchte alle Standorte der Forschungseinrichtung. „Das ist eine tolle Entdeckungsreise durch eine gewaltige Vielfalt an Fragestellungen“, ruft sie mit leuchtenden Augen. „So etwas wie den Helikopterflug merkt man sich natürlich ganz besonders“, sagt sie dann und fügt augenzwinkernd hinzu: „Selbst, wenn es nur in einem Simulator war!“
Das DLR mit seinen Forschungsbereichen und den mehr als 8.000 Mitarbeitern will Pascale Ehrenfreund in den kommenden Jahren behutsam auf eine stärkere Zusammenarbeit trimmen. „Wir haben schon jetzt eine Matrixstruktur, durch die unsere Institute und Großforschungsanlagen enorm vernetzt sind“, sagt sie. Der Austausch von Informationen und Wissen soll künftig noch einfacher gelingen: Zu den vier traditionellen Kernbereichen Luftfahrt, Raumfahrt, Verkehr und Energie und dem Querschnittsbereich Sicherheit kommt nach der unlängst vorgestellten Strategie nun die Digitalisierung hinzu. Grundlagenforscher und Produktentwickler, Ingenieure und Naturwissenschaftler sollen noch enger zusammenarbeiten, das ist ihr erklärtes Ziel.
Diese Offenheit hat Pascale Ehrenfreund selbst immer wieder praktiziert. Ihr Lebenslauf ist gespickt von Entscheidungen, die sie in immer neue Bereiche führten. Das fing schon an, bevor sie sich überhaupt an einer Uni eingeschrieben hatte: „Ich wusste schon früh, dass ich Molekularbiologie studieren wollte“, erzählt sie mit der Sprachfärbung ihrer österreichischen Heimat. Und dann, kurz vor Beginn des Studiums, machte sie Urlaub im Norden Schottlands. Im Gepäck hatte sie ein Buch, das ihren Lebensweg ändern würde: Von Astrobiologie handelte es, „damals war noch nicht so bekannt, dass es das überhaupt gibt“ – und sie war so fasziniert von der Suche nach Leben im Universum, dass sie sich kurzerhand entschied, zusätzlich auch noch Astronomie zu studieren.
In ihrer Karriere als Forscherin, die sie von den Universitäten in Salzburg und Wien in die Niederlande und die USA führte, beschäftigte sie sich mit der organischen Chemie des interstellaren Mediums, sie arbeitete an Forschungsprojekten zu Mars und Kometen, sie analysierte zusammen mit Post-Docs in ihrem Labor Meteoriten. Immer wieder leistete sie Pionierarbeit; als sie beispielsweise an ihrer Habilitation über kosmischen Staub arbeitete, war sie eine der ersten Frauen, die in diesem Feld tätig waren – deshalb wurde sogar ein Asteroid nach ihr benannt, er heißt mit vollständiger Bezeichnung „9826 Ehrenfreund (2114 T-3)“.
Seit die 57-Jährige das DLR leitet, steht sie endgültig im Scheinwerferlicht. Etliche große Zeitungen von der ZEIT bis zum Spiegel stellen sie in Portraits oder Interviews vor, und die Frage, die sie dabei am häufigsten beantworten muss, ist jene nach ihrem Seitenwechsel: Wie kommt eine international renommierte Forscherin dazu, das Labor gegen einen Posten im Management zu tauschen? Sicher steckt auch ihre Neugier auf Unbekanntes dahinter und die Lust, sich wieder einmal einen neuen Bereich zu erschließen. Es seien aber auch ihre Erfahrungen aus den USA, erklärte sie in einem der Interviews: „Ich hatte schon früh in meiner Karriere mit Raumfahrtmissionen zu tun und dabei oft das Gefühl, dass Wissenschaftler nicht richtig gehört werden und dass politische Entscheidungen auf Basis lückenhafter Informationen fallen.“ In Amerika funktioniere der kontinuierliche Dialog zwischen Forschung und Politik reibungsloser; ein Punkt, an dem sie ansetzen will bei ihrer Arbeit für das DLR, die sie als Traumjob bezeichnet.
Einen Traum indes, der fast alle Kinder auf der Welt mit ihrer Arbeit verbindet, den hat sie paradoxerweise nie geträumt: Astronautin stand nicht einmal in ihrer Kindergartenzeit auf der Liste der Wunschberufe. Pascale Ehrenfreund lacht kurz und schüttelt entschieden den Kopf: „Ich glaube, dafür brauche ich einfach zuviel Sauerstoff!“
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