Biotreibstoffe
Zukunft des Fliegens
In der aktuellen Klimadiskussion steht die Luftfahrt oft in der Kritik. Das wollen Wissenschaftler ändern und das Fliegen klimaneutral machen. Könnten synthetische Treibstoffe die Lösung dafür sein?
Rund zweieinhalb Prozent des Kohlendioxids, dass die menschliche Gesellschaft in die Atmosphäre ausstößt, gehen auf das Konto der Luftfahrt. Nimmt man die Effekte der anderen Abgase und der Rußpartikel hinzu, trägt der Luftverkehr knapp fünf Prozent zur Klimaveränderung bei. „Das zu ändern und klimaneutrales Fliegen im Rahmen des Green Deal der Europäischen Union bis zum Jahr 2050 zu realisieren, ist unsere Vision“, sagt Andreas Klöckner, der am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) für die Strategie des Bereichs Luftfahrt verantwortlich ist. Der Luft- und Raumfahrtingenieur zählt seine Stellschrauben auf: „Einerseits können wir die bestehenden Flugzeuge effizienter machen. Andererseits entwickeln wir natürlich auch neue Antriebsarten.“ Dann gebe es noch den Weg, die Klimawirkung über Ausgleichszahlungen zu kompensieren. Das sei für ihn aber allenfalls eine kurzfristige Übergangslösung. Und es sei auch angebracht, weniger zu fliegen, damit das Ziel erreicht werden kann. Während letzte Option in den Händen von Konsumenten und Politik liegt, sind die ersten beiden Stellschrauben das Metier der Wissenschaftler und Ingenieure am DLR.
Basis für die synthetischen Treibstoffe, mit denen Andreas Klöckner und seine Kollegen experimentieren, ist Synthesegas. Dieses Gemisch enthält alle Bausteine, aus denen in einem anschließenden Syntheseverfahren flüssige Kraftstoffe hergestellt werden. Das Synthesegas selbst stammt heute vorwiegend aus nachwachsenden Energiepflanzen, wie Mais, aus denen es bei hohen Temperaturen entweicht. Damit wäre aber auch schon die Tank-gegen-Teller Diskussion eröffnet. Denn Energiepflanzen benötigen Ackerfläche, Düngemittel, Pflanzenschutz und Arbeitskraft. Wie Nahrungsmittel eben auch und das könnte vor allem dann zum Problem werden, wenn der Bedarf an solchen Treibstoffen rapide steigt und mit ihm der Preis, den die Abnehmer bereit sind zu zahlen. Werden die Maschinen zur Bewirtschaftung der Flächen dann auch noch mit „normalem“ Kraftstoff betrieben, steht auch die CO2-Neutralität auf wackligen Füßen. Das Synthesegas kann aber auch aus organischen Abfällen hergestellt werden. Aus Stroh zum Beispiel. Oder aus Resten der Nahrungsmittelherstellung. Oder aus tierischen Exkrementen.
Das Karlsruher bioliq-Verfahren
Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben ein mehrstufiges Verfahren entwickelt, um Stroh und andere Reststoffe aus der Land- und Forstwirtschaft in flüssige Kraft- und Brennstoffe zu verwandeln. Die Biokraftstoffe können durch Zumischung oder in reiner Form zukünftig einen Teil erdölbasierter Brennstoffe ersetzen und bieten eine Reihe umwelt- und klimarelevanter Vorteile z. B. durch besonders saubere Verbrennung.
Eine dritte Möglichkeit kommt hingegen ganz ohne Biomasse aus. Power-to-Liquid, also Energie zu Flüssigkraftstoff, nennt sich dieser Prozess und E-Fuels sind das Ergebnis. Regenerative Energie steht hier im Mittelpunkt. Damit wird einerseits Wasserstoff durch Elektrolyse aus Wasser gewonnen. Andererseits wird CO2 etwa durch Direct-Air-Capture-Technologien aus der Luft gefiltert. Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) steht beispielsweise eine Pilotanlage, die Luft und Wasser in CO2-neutralen Kraftstoff umwandelt. Die Energiebilanz ist hingegen die Schattenseite dieser Umwandlung. Denn nicht nur Elektrolyse und Direct-Air-Capture, sondern auch der Raffinierungsprozess verschlingen einen Großteil der eingesetzten elektrischen Energie. Im Auto zum Beispiel sind Verbrenner mit heutigen E-Fuels ihren batterieelektrischen Konkurrenten weit unterlegen. In der Luft könnte das hingegen anders aussehen. „Je schwerer ein Flugzeug ist, umso mehr Energie benötigen wir, um es zum Fliegen zu bringen“, erklärt Andreas Klöckner. „Bei elektrischer Energie bedeutet das, wir müssen mehr Batterien mitnehmen und die erhöhen überproportional das Gewicht. Ab einem gewissen Punkt fliegen wir dann fast nur noch die Batterien durch die Gegend. Flüssige Treibstoffe haben sich hingegen schon seit Langem bewährt.“
Für den Luftverkehr der Zukunft setzt das DLR aber nicht nur auf ein einziges Pferd. „Aus heutiger Sicht ist elektrisches Fliegen beispielsweise für kleinere Flugzeuge auf Kurzstrecken ökologisch am sinnvollsten; Synthetische Treibstoffe hingegen vor allem für die ganz großen Maschinen auf ultralangen Strecken. Für alles dazwischen wäre auch Wasserstoff als Energieträger denkbar.“ Letzterer ließe sich einerseits direkt im Triebwerk verbrennen, andererseits aber auch über eine Brennstoffzelle in Strom umwandeln und damit elektrische Triebwerke versorgen. „Welche Technologie sich letzten Endes durchsetzt, wissen wir einfach noch nicht“, fasst Andreas Klöckner zusammen. „Deshalb geht unsere Forschung auch in alle erdenklichen Richtungen.“
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