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Leibniz-Preis-Trägerin

Mit KI zu besseren Klimamodellen

Bild: DLR/Philip Hallay

Veronika Eyring kombiniert Klimamodelle und Beobachtungsdaten, um das Erdsystem und den Klimawandel besser zu verstehen und vorherzusagen. Die Physikerin, die am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Universität Bremen forscht, wurde jetzt für ihre Leistung mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet.

Bild: DLR/Philip Hallay

Ein bisschen Wind vom Meer weht sogar hier in Oberpfaffenhofen, ganz in der Nähe von München. Veronika Eyring spürt ihn jedes Mal, wenn sie auf das Aquarell schaut, das gerahmt in ihrem Homeoffice hängt: Das „Schulschiff Deutschland“ zeigt es mit seinen drei imposanten Masten, und es erinnert sie an ihre Jahre als Doktorandin in Bremen. „Das Schiff liegt an der ‚maritimen Meile’, wo die Lesum in die Weser mündet“, sagt Veronika Eyring. „Dort weht frischer Nordseewind mit herrlichem maritimem Flair.“

Als Physik-Doktorandin beschäftigte sie sich zu Beginn ihrer Forschung mit dem Ozonloch. Sie hatte ein Box-Modell entwickelt, mit dem sich die Entwicklung des stratosphärischen Ozons berechnen ließ. „Das Ziel war es, die Messungen mit dem Forschungsflugzeug Falcon zu interpretieren und besser zu verstehen, was in der Ozonschicht passiert.“

Bild: DLR

Heute zählt Veronika Eyring zu den führenden Experten für Klima- und Erdsystemmodellierung. Mit solchen hochkomplexen Simulationen lässt sich vorhersagen, wie sich das Klima verändern wird. Für den Weltklimarat IPCC ist Eyring koordinierende Leitautorin des Kapitels „Menschlicher Einfluss auf das Klimasystem“ des 6. Klimasachstandsberichts – und gerade wurde sie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG mit dem mit 2,5 Millionen Euro an Forschungsgeldern dotierten Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis ausgezeichnet. Die Jury würdigte ihren maßgeblichen Beitrag dazu, „die Genauigkeit von Klimavorhersagen durch prozessorientierte Modellierungen und Modellevaluierung“ zu verbessern.

Für ihre Arbeit ist Veronika Eyring sowohl in der Nähe der Berge als auch am Meer: Am DLR-Institut für Physik der Atmosphäre im bayerischen Oberpfaffenhofen leitet sie die Abteilung „Erdsystemmodell-Evaluierung und Analyse“, zugleich ist sie an der Universität Bremen – nur ein paar Kilometer entfernt vom Segel-Schulschiff – Professorin für Klimamodellierung. „Meinen Lebensmittelpunkt habe ich in Bayern“, sagt sie; nah dran an ihrer Heimat: In der bayerischen Rhön ist sie aufgewachsen, und dort packte sie auch die Begeisterung für die Physik: „Ich hatte zwei großartige Lehrer, die ab der zehnten Klasse mit ihrem anspruchsvollen Unterricht meine Liebe für die Physik geweckt haben.“ An der Universität Erlangen-Nürnberg schrieb sie sich ein und ihre Diplomarbeit erstellte sie zu einem Thema aus der theoretischen Festkörperphysik in der ersten Hälfte der 1990er Jahre.

Ihr eigentlicher Berufsplan kristallisierte sich 1995 heraus, als sie ein Thema für ihre Doktorarbeit suchte: „Schon damals warnten internationale Klimaforscherinnen und -forscher vor dem vom Menschen verursachten Klimawandel. Das hat meine Aufmerksamkeit geweckt.“ Sie arbeitete sich in die Klimamodellierung ein und merkte schnell: Damit will sie sich beschäftigen – „mich fasziniert, dass wir das komplexe System Erde mit all seinen physikalischen und biogeochemischen Prozessen, Wechselwirkungen und Rückkopplungen so akkurat am Computer nachbilden können. Und dass wir mit diesen Modellen, die auf physikalischen Naturgesetzen beruhen, die Zusammenhänge des Erdsystems besser verstehen.“ Es bestehen jedoch weiterhin Unsicherheiten in den Vorhersagen der Modelle. Hier setzen die Forschungsarbeiten von Veronika Eyring an. „Wir kombinieren Modelle und Beobachtungsdaten mittels innovativer Methoden und Verfahren der künstlichen Intelligenz, um das Erdsystem und den Klimawandel besser verstehen und vorhersagen zu können.“

Wenn Veronika Eyring davon erzählt, lässt sich zweierlei heraushören: Erstens, wie sehr sie die Atmosphären- und Klimaforschung fasziniert. Und zweitens, wie gewaltig sich die Modelle über die vergangenen Jahre verbessert haben. „Klimamodelle gab es damals natürlich auch schon, aber die waren wesentlich einfacher in ihrer Darstellung der Prozesse“, sagt sie und erklärt: „Globale gekoppelte Klimamodelle der frühen Generation basierten auf atmosphärischen Modellen, die mit einem dynamischen Ozean, einer einfachen Landoberfläche und thermodynamischem Meereis gekoppelt waren.“ Im Laufe der Jahre wurden die Klimamodelle dank neuer physikalischer Erkenntnisse und neu verfügbarer Beobachtungen verbessert. „Viele Modelle wurden zu Erdsystemmodellen erweitert, die neben dem physikalischen Klima auch die Darstellung des Kohlenstoffs und anderer biogeochemischer Kreisläufe beinhalten, die für den Klimawandel wichtig sind“, sagt sie.

1995 – in dem Jahr, in dem sich Veronika Eyring für die Klimamodellierung entschied – wurde CMIP, das „Coupled Model Intercomparison Project“, als Projekt des Weltklimaforschungsprogramms gegründet. Dieser internationale Forschungsverbund hat zum Ziel, das vergangene, heutige und künftige Klima besser zu verstehen, indem Klimamodellsimulationen vergleichbar und die Daten zugänglich gemacht werden. Rund zwei Jahrzehnte später wurde Veronika Eyring Leiterin dieses Projekts. Erst Anfang 2021 gab sie diese Aufgabe weiter.

Sie selbst konzentriert sich jetzt auf ein vom Europäischen Forschungsrat gefördertes „Synergy Grant“-Projekt, das künstliche Intelligenz stärker in die Klimamodellierung einbeziehen soll – der nächste Meilenstein wird das sein, um noch präziser in die Zukunft schauen zu können, und wieder ist Veronika Eyring an führender Stelle mit dabei. Mit einem interdisziplinären Team entwickelt sie maschinelle Lernverfahren, um das Verständnis und die Modellierung des Erdsystems weiter zu verbessern. „Wir entwickeln neue Parametrisierungen für Wolken und Landoberflächenprozesse, um Unsicherheiten in Klimavorhersagen zu reduzieren“, sagt sie. Darüber hinaus arbeitet das Team daran, Klimaschwankungen und Extremereignisse wie Dürren mit Methoden wie Deep Learning auf ursächliche Zusammenhänge hin zu untersuchen. „Wir erhoffen uns, durch die Brücke zwischen Physik und maschinellem Lernen die Modellierung und Analyse des Erdsystems zu revolutionieren und langfristig zu robusteren Klimaprojektionen beizutragen“, erklärt Veronika Eyring.

Die Grafik zeigt die Änderungen der Oberflächentemperatur, wie sie als Mittelwert über verschiedene Klimamodelle für das Ende des 21. Jahrhunderts für zwei Szenarien simuliert werden. Dabei entspricht die linke Abbildung näherungsweise einem Szenario für Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels, während die rechte Abbildung näherungsweise ein „Weiter-wie-bisher“-Szenario darstellt. Die Werte beziehen sich auf den Vergleichszeitraum von 1986 bis 2005. Änderungen in den grau schattierten Regionen heben sich nicht klar von der natürlichen Variabilität ab (Grafik: DLR / Deutsches Klimarechenzentrum DKRZ).

Jetzt, in ihrem Büro, klickt sie auf eine Animation auf ihrem Bildschirm. Für das Ende des 21. Jahrhunderts hat Veronika Eyring mit ihrem Team verschiedene Klimamodelle ausgewertet: Was passiert, wenn die Erdoberflächentemperatur sich um zwei Grad erhöht – und was geschieht, wenn es so weitergeht wie bislang, die Temperaturen also noch höher steigen? „Da sieht es nicht gut aus für die Erde“, sagt Eyring mit Blick auf die Weltkugeln, die auf ihrem Bildschirm zu sehen sind: „Die Reduktion von Treibhausgasen ist dringend notwendig, um einen weiteren Temperaturanstieg und die damit verbundenen negativen Konsequenzen für Ökosysteme und den Menschen zu verringern!“ Mit ihrer Arbeit will sie auch dazu beitragen, das „Weiter-wie-bisher“-Szenario zu verhindern.

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