Helmholtz Monthly 12/23
 
 
 
Vertrauen in die Wissenschaft sinkt
 
Leibniz-Preis für Polarbiologin Ulrike Herzschuh
 
Weihnachtsgrüße des Helmholtz-Präsidenten
 
Ausschreibungen
 
Das Nichts belauschen
 
Drei Fragen an Ulrika Beitnere
 
Der lange Weg zu weniger Plastikmüll – Standpunkt von Melanie Bergmann
 
Helmholtz in den Medien
 
Nachhaltiger Kaviar und Fisch auf dem Tisch
 
 
 
 
Liebe Leserinnen und Leser,
 
 
 

ein Jahr neigt sich dem Ende zu, in dem die Welt noch einmal unberechenbarer geworden ist, als sie es ohnehin schon war. Otmar Wiestler, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, blickt in dieser Ausgabe auf die vergangenen, für die gesamte Wissenschaftslandschaft sehr bewegenden Monate zurück.

Hoffnung geben uns Talente aus der ganzen Welt, die in der Helmholtz-Gemeinschaft einen sinnvollen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Ulrika Beitnere vom Max Delbrück Center ist eines dieser Talente. Sie ist gerade von Kalifornien nach Berlin gezogen, um in der Diabetesforschung zu arbeiten. Wir stellen sie Ihnen hier vor.

Der Dezember ist wie kein zweiter Monat Konsumzeit. Doch die Schattenseite einer gigantischen Menge Plastik, die jedes Jahr in die Umwelt gelangt, ist gesundheitliche Belastung für praktisch alle Organismen in den Ozeanen, an Land und auch für uns Menschen. Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut spricht sich für ein internationales Abkommen zur Eindämmung von Plastikmüll aus.

Und schließlich: Wer noch etwas Besonderes für das Weihnachtsessen sucht, wird am Ende dieses Newsletters vielleicht fündig. 

Damit wünschen wir Ihnen eine angenehme Lektüre, frohe Feiertage und einen guten Start in das neue Jahr!

 
 
Sebastian Grote, Head of Communications
 
 
 
 
Talk of the Month
 
 
 
Wissenschaftsbarometer: Vertrauen in die Wissenschaft sinkt bei bildungsferneren Schichten
 
  Seit 2014 befragt Wissenschaft im Dialog jährlich Bürger:innen in Deutschland zu ihren Einstellungen gegenüber der Wissenschaft. Bemerkenswert an den Ergebnissen dieses Jahres ist, dass Personen mit formal niedrigem Bildungsniveau offenbar immer mehr das Vertrauen in die Wissenschaft verlieren. Nur noch 31 Prozent stimmen der Aussage zu, dass sie „der Wissenschaft voll und ganz vertrauen“. Über alle Bildungsschichten hinweg liegt das Vertrauensniveau jedoch deutlich über dem Niveau, das vor der Coronapandemie ermittelt wurde. Zu den Ergebnissen
 
Global Carbon Project zeigt neuen Höchstwert fossiler CO2-Emissionen
 
  Im Vorfeld der Weltklimakonferenz veröffentlichte das Global Carbon Project seine jährliche Bilanz. Mit dem Alfred-Wegener-Institut, dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und dem Karlsruher Institut für Technologie sind auch drei Helmholtz-Zentren an dem Projekt beteiligt. Der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre hat laut des Berichts einen neuen Höchststand erreicht. Blieben die Emissionen so hoch, wäre das verbleibende Kohlendioxidbudget zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels schon in etwa sieben Jahren aufgebraucht. Entsprechend hoch waren die Erwartungen im Hinblick auf die Weltklimakonferenz in Dubai, die vor wenigen Tagen zu Ende ging. Wie Helmholtz-Expert:innen die Beschlüsse bewerten, können Sie auf der Website der Klima-Initiative nachlesen.
 
Chat-GPT in der Nature-Top-10 der einflussreichsten Forschenden
 
  Large-Language-Models haben das Potenzial, das Wissenschaftssystem zu revolutionieren. Zu diesem Ergebnis kam unter anderem eine Studie des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft. Unter dem Strich würden die positiven Auswirkungen deutlich überwiegen, so die Autor:innen. Dafür brauche es allerdings eine strenge rechtliche Regulierung, mehr Transparenz und ethische Standards. Das Wissenschaftsjournal „Nature“ sieht das ähnlich. Chat-GPT hat es als erster Nicht-Mensch in die Top 10 der maßgebenden Forscher:innen 2023 geschafft. Der Einfluss des Chatbots sei in der gesamten Wissenschaft zu spüren, heißt es in der Begründung.
 
 
 
 
 
 
 
Was sind die großen Herausforderungen unserer Zeit? Und welche Lösungen entwickeln wir bei Helmholtz? Entdecken Sie unsere Challenges 
 
 
 
 
Aus der Gemeinschaft
 
 
 
Leibniz-Preis für Polarbiologin Ulrike Herzschuh
 
  Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat am 7. Dezember Ulrike Herzschuh vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung mit einem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis ausgezeichnet. Die Polarbiologin leitet am AWI-Standort Potsdam die Abteilung für polare terrestrische Umweltsysteme und ist eine der führenden Forscher:innen auf dem Gebiet der Erdsystemwissenschaften. Der Leibniz-Preis gilt als der bedeutendste deutsche Forschungspreis. Er wird jährlich von der DFG vergeben und ist mit bis zu 2,5 Millionen Euro dotiert.
 
100 Millionen für Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
 
  Mit 100 Millionen Euro zusätzlich unterstützen das Land Niedersachsen und der Bund die Infektionsforschung in Braunschweig. Das verkündete Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil im Rahmen des offiziellen Amtsantritts des neuen wissenschaftlichen Direktors Josef Penninger. Mit dem Geld sollen 20 neue Nachwuchsgruppen am HZI aufgebaut werden.
 
Abnehm-Medikamente sind „Science-Breakthrough of the Year“
 
  Eine neue Klasse von Medikamenten, die die Wirkung von Darmhormonen nachahmen, revolutionieren die Behandlung von Adipositas. In diesem Jahr haben große Studien gezeigt, dass die Medikamente einen deutlichen gesundheitlichen Nutzen über die eigentliche Gewichtsabnahme hinaus haben. Das Wissenschaftsmagazin „Science“ hat die sogenannten GLP-1-Medikamente nun zum „Breakthrough of the Year“ gekürt. Matthias Tschöp, Geschäftsführer von Helmholtz Munich und Vizepräsident der Helmholtz-Gemeinschaft, ist einer der führenden Köpfe hinter der Entdeckung und Entwicklung dieser Medikamente.
 
 
 
 
Weihnachtsgrüße des Helmholtz-Präsidenten
 
 
 
 
 
 
 

Es ist zur Tradition geworden, dass Otmar Wiestler zum Jahresende einen Weihnachtsgruß an die Mitarbeiter:innen aller Helmholtz-Zentren sendet. In Zeiten tiefgreifender Veränderungen betont er den Auftrag der Helmholtz-Gemeinschaft, diesen Umbruch aktiv mitzugestalten. Videobotschaft ansehen

 
 
 
Ausschreibungen
 
 
 
 
Helmholtz High Impact Award
 

Die Helmholtz-Gemeinschaft vergibt gemeinsam mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft den mit 50.000 Euro dotierten „Helmholtz High Impact Award – Wissenschaftspreis mit dem Stifterverband“. Einreichungsfrist für Vorschläge der Helmholtz-Zentren bei der Helmholtz-Geschäftsstelle ist der 30. März 2024. Zur Ausschreibung

 
Helmholtz Investigator Groups
 

Die Helmholtz Investigator Groups bieten internationalen Spitzentalenten frühe wissenschaftliche Unabhängigkeit. Helmholtz fördert bis zu neun Gruppen. Deadline für die Einreichung der Anträge durch die Helmholtz-Zentren an die Helmholtz-Geschäftsstelle ist der 30. April 2024. Zur Ausschreibung

 
 
 
Forschung
 
 
 
 
 
 
 
 
Das Nichts belauschen
 
 
 
 
Neue Experimente sollen helfen, die geheimnisvolle Struktur des Quantenvakuums zu untersuchen. Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf ist an Konzeption und Durchführung beteiligt.
 

Wo nichts ist, sollte sich auch alle Komplexität auf Nullkommanichts reduzieren – möchte man meinen. Doch die moderne Physik widerspricht. „Das Vakuum selbst ist Träger der Naturgesetze und damit auch eine Art ‚Urstoff‘, aus dem die Existenz aller Elementarteilchen erwachsen kann“, sagt Ralf Schützhold, Professor an der TU Dresden und Direktor des Instituts für Theoretische Physik des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR).

Mit anderen Worten: Das Vakuum ist nicht einfach eine Leere, sondern es besitzt Struktur. Das klingt recht philosophisch, ist aber eine der zentralen Aussagen der modernen Physik. „In unserer Welt gilt die berühmte Heisenbergsche Unschärferelation“, erklärt Schützhold. „Ihr zufolge gibt es überall in der Natur eine gewisse Unschärfe, also eine Grenze dessen, was sich exakt bestimmen lässt.“ Einen absolut leeren Raum, der weder Teilchen noch elektromagnetische Felder enthält, gibt es demnach nicht – er ist immer von winzigen Quantenfluktuationen erfüllt.

„Es gibt verschiedene Betrachtungsweisen, wie man sich diesen abstrakten Begriff der Quantenfluktuation bildlich vorstellen kann“, so Schützhold. „Man kann es ein ‚Quantenflimmern‘ nennen, weil die Quantenfelder auf engstem Raum und auf extrem kurzen Zeitskalen Fluktuationen durchmachen, die klassisch nicht erklärbar sind.“ Oft spricht man auch von „virtuellen Teilchen“, die im Vakuum entstehen und praktisch instantan wieder verschwinden.

Das Spannende daran: Man kann den Zustand des Vakuums manipulieren. Wenn man zwei elektrisch leitende Platten sehr nahe aneinander bringt, können sich zwischen ihnen nur bestimmte Quantenfluktuationen ausbilden und andere, die im freien Raum auftreten können, nicht mehr. Der Unterschied zwischen den Quantenfluktuationen innerhalb und außerhalb der Platten erzeugt eine winzige Kraft, die die beiden Platten zusammendrückt. „Diese Kraft ist nach ihrem Entdecker als Casimir-Effekt bekannt“, sagt Schützhold. „Wir wollen nun einen damit verwandten Effekt nachweisen, wobei wir allerdings mit Laserstrahlen arbeiten und nicht mit leitenden Materialien.“

Dazu bauen die Forschenden vom HZDR gemeinsam mit Kolleg:innen am European XFEL bei Hamburg, dem weltweit größten und stärksten Röntgenlaser, ein besonderes Experiment auf, das aufgrund seiner wegweisenden Technologie und Bedeutung für die Physik zu den Flaggschiffexperimenten der Helmholtz-Gemeinschaft gehört. Mit dem European XFEL besteht nämlich die Möglichkeit, auch Quantenfluktuationen mit extrem hohen Feldstärken zu testen. Die Idee hinter dem Experiment ist folgende: Ein extrem starker optischer Laserpuls wird in eine Vakuumkammer geschossen und dabei sehr scharf auf einen Punkt fokussiert. In diesem Fokuspunkt lassen sich enorme elektromagnetische Feldstärken erzielen, die das Quantenvakuum polarisieren. „Wir wollen das Quantenflimmern sozusagen dazu bringen, bevorzugt in einer Richtung zu vibrieren“, sagt Schützhold.

Dann soll zeitgleich ein Röntgenpuls den Fokuspunkt des optischen Laserstrahls durchqueren. Ein solcher Röntgenpuls enthält rund eine Billion Röntgenphotonen. „In diesem Versuchsaufbau sollte durch den Einfluss des polarisierten Vakuums pro Puls ungefähr eines dieser eine Billion Röntgenphotonen eine messbare Änderung seiner Polarisation erfahren haben, was wir mithilfe von Polarisationsfiltern nachweisen wollen“, so Schützhold. „Damit sind wir ziemlich an der Grenze der heutigen Messtechnik, um diesen äußerst schwachen Effekt nachzuweisen.“

„Es geht uns bei diesen Versuchen nicht nur darum, die Grenzen der Technologie auszuloten“, betont Schützhold. „Mit solchen Versuchen wollen wir die Eigenschaften des Quantenvakuums studieren und sehen, ob unsere heutigen Theorien richtig sind.“ Denn da gibt es noch offene Fragen, beispielsweise zum Wesen der Dunklen Materie. Diese bringt im Weltall zwar deutlich mehr Masse auf als unsere gewöhnliche Materie – aber in den Experimenten findet sich bislang nicht der kleinste Hinweis darauf, um was für eine Art von Materie es sich handeln könnte. „Wenn wir das Quantenvakuum durchleuchten, könnten wir mit etwas Glück unerwartete Effekte finden, die vom Standardmodell der Teilchenphysik so nicht vorhergesagt werden“, sagt Schützhold. So könnten hinter den Quantenfluktuationen bisher unentdeckte Teilchen stecken – zum Beispiel ultraleichte Geisterteilchen namens Axionen. „Und das“, sagt Schützhold, „wäre ein klares Zeichen dafür, dass es weitere, bislang unbekannte Naturgesetze gibt.“

Zur Orginalveröffentlichung

(Illustration (eingefärbt): Zita/Shutterstock )

 
Außerdem: 
 

Klimahack für die Stahlindustrie
Mehrere Hundert Millionen Tonnen CO2 pro Jahr in der weltweiten Stahlproduktion einsparen – das wollen Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Industriepartner SMS group mit einem neuen Verfahren vorantreiben. Dieses basiert auf der Modernisierung bestehender Hochofentechnologie mit moderaten Investitionen und wurde bereits erfolgreich in einer Pilotanlage demonstriert. Mehr lesen

Ein Netz für gesündere Städte
Im neuen Forschungsprojekt „Net4Cities“, koordiniert vom Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) am Helmholtz-Zentrum Potsdam (GFZ), schaffen die Beteiligten in elf europäischen Städten in zehn Ländern eine Infrastruktur zum Monitoring der Luft- und Lärmbelastung. Mit den generierten Daten sollen sich die damit verbundenen gesundheitlichen Auswirkungen besser bewerten lassen. Diese Forschung und Infrastruktur sollen dabei unterstützen, den Aktionsplan „Null Verschmutzung“ des europäischen Green Deal umzusetzen. Mehr lesen

 
 
 
One of 45,000
 
 
 
 

Seit kurzem ist Ulrika Beitnere am Max Delbrück Center als leitende Wissenschaftlerin in der Gruppe von Direktorin Maike Sander tätig. Sie hat dort die Aufgabe, ein neues Labor zu gründen und auszustatten. Dabei lernt sie gerade die einzigartige deutsche Forschungslandschaft kennen. Zuvor arbeitete sie als Postdoc in Davis an der Universität von Kalifornien an der Entschärfung eines Gens bei der seltenen Krankheit Angelman-Syndrom. Jetzt will sie die noch nicht so gut verstandenen Mechanismen bei Diabetes entschlüsseln. (Bild: MDC)

 
 
Was ist das Spannendste an Ihrem Job?
 

Das Aufregendste an meiner Arbeit ist, wenn nach langen Vorbereitungen und Versuchen die Experimente funktionieren und ich einen Durchbruch erziele. Es erfüllt mich mit Freude und Begeisterung, dass meine Arbeit vielleicht einen sinnvollen Beitrag für die Gesellschaft leisten kann. Selbst wenn es sich anfühlt, als würde ich in meiner täglichen Arbeit nur kleine Schritte machen, baue ich auf etwas Größerem auf: Ich stehe auf den Schultern von Giganten – und das ist ein großartiges Gefühl. Ein weiteres spannendes und nicht weniger wichtiges Element meiner Arbeit sind die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, und ihre einzigartigen Erfahrungen und Hintergründe. Die Unterstützung und Ausbildung der nächsten Generation von Wissenschaftler:innen liegt mir sehr am Herzen.

 
Wenn Geld und Zeit keine Rolle spielen würden: Was wäre Ihr nächstes Projekt?
 

Wenn Geld und Zeit keine Rolle spielen würden, würde ich die Pankreas-Hirn-Achse und die Darm-Pankreas-Leber-Achse auf einem Organ-on-Chip – eine Art künstlichem Organ – näher untersuchen. Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass eine gestörte Insulinsignalübertragung erhebliche Auswirkungen auf die Gehirnfunktion und die allgemeine Gesundheit haben kann. Insulin ist bekannt für seine Rolle bei der Regulierung des Blutzuckerspiegels und der Erleichterung der Glukoseaufnahme in die Zellen. Es spielt jedoch auch eine entscheidende Rolle im Gehirn, wo es verschiedene Prozesse wie Gedächtnis, Neuroinflammation und die Funktion der Blut-Hirn-Schranke beeinflusst und das Risiko für neurologische Störungen erhöht. Um die Sache noch komplexer zu machen, würde ich gerne die neuesten CRISPR/Cas-Technologien einsetzen, insbesondere solche, die auf Ribonukleinsäure abzielen. Mit ihnen würde ich versuchen, einige neue wichtige Regulatoren zu finden oder vielleicht sogar einige der dysregulierten Faktoren zu korrigieren.

 
Mit wem würden Sie gerne mal zu Abend essen und worüber würden Sie dann sprechen?
 

Ich würde gerne mit der ersten Präsidentin meines Heimatlandes Lettland zu Abend essen: Vaira Vike Freiberga. Sie ist seit meiner Jugend eine Inspiration für mich gewesen. Es wäre spannend zu hören, wie sie es geschafft hat, Lettland in dieser entscheidenden Phase zu führen, in der es sich von einem ehemaligen Sowjetstaat zu einer unabhängigen europäischen Nation entwickelt hat. Sie setzte sich für die Integration Lettlands in internationale Organisationen ein und konnte ihre Zuhörer:innen für Menschenrechte und Gleichberechtigung begeistern. Sie hatte einen akademischen Hintergrund und war zeitgleich Mutter von zwei Kindern. Ich möchte einfach wissen, woher sie in diesen Rollen ihre Stärke nahm und ob sie Tipps hat, wie man Führungsqualitäten in der jungen Generation fördern kann. Dieses Thema betrifft mich beruflich als Forscherin genauso wie persönlich als Mutter eines vierjährigen Kindes.

 
 
 
Standpunkt
 
 
 
 
 
 
 
 
Der lange Weg zu weniger Plastikmüll
 
 
 
 
Jedes Jahr werden weltweit mehr als 460 Millionen Tonnen Plastik produziert. Davon landen zwischen 19 und 23 Millionen Tonnen pro Jahr als Müll in Gewässern – das entspricht fast zwei Lkw-Ladungen pro Minute. Ein internationales Abkommen zur Eindämmung von Plastikmüll ist dringend nötig, meint die Meeresbiologin Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut.
 

Plastik in der Umwelt ist eine gesundheitliche Belastung für sehr viele Organismen in den Ozeanen, an Land und auch für uns Menschen. Wir gehen heute davon aus, dass weit über 13.000 verschiedene Chemikalien mit Plastik assoziiert sind. Rund ein Viertel davon wirkt nachgewiesenermaßen schädlich. Von den restlichen drei Vierteln wissen wir noch gar nicht, ob sie unbedenklich sind oder nicht. Eine aktuelle Studie schätzt, dass durch Plastik jährlich allein in Bezug auf den Menschen mindestens 250 Milliarden Dollar an Kosten für die öffentliche Gesundheit entstehen. Und die Schäden für die Ökosysteme – etwa durch Plastikmüll in den Ozeanen – sind so groß, dass wir sie kaum beziffern können.

Wir müssen also dringend handeln und ein internationales Abkommen zur Eindämmung von Plastikmüll erreichen. Wissenschaftliche Berechnungen haben gezeigt, dass der allerwirksamste und kostengünstigste Hebel eine Reduktion der Plastikproduktion ist. Denn effektiveres Recycling kann bestenfalls ein Baustein sein. Den Müll im Meer einzusammeln mit Hunderten von Schiffen und Netzen – man denke an das bekannte Projekt „The Ocean Cleanup“ – wäre technisch kaum umsetzbar, würde viel CO2 ausstoßen und durch den Beifang von Meeresorganismen zusätzlichen Druck auf die Ökosysteme ausüben. Es ist also viel besser, wenn das Plastik gar nicht erst dorthin gelangt.

Im November tagten Vetreter:innen von rund 170 UN-Staaten in der kenianischen Hauptstadt Nairobi, um genau darüber zu verhandeln. Das Ergebnis ist leider sehr ernüchternd. Es haben sich zwei Blöcke herauskristallisiert, die sehr unterschiedliche Vorstellungen von einem solchen Abkommen haben. Staaten mit einer starken fossilen oder petrochemischen Industrie wie Russland, Saudi-Arabien und Iran bremsen den Prozess stark aus und befürworten lediglich freiwillige nationale Maßnahmen. Dagegen streben die über 60 Staaten der sogenannten „High Ambition Coalition“ sehr viel weitreichendere Veränderungen an. Dazu gehören auch Produktionssenkungen und eine vereinfachte chemische Zusammensetzung, um einen Kreislauf für unverzichtbare Plastikprodukte überhaupt erst zu ermöglichen. Denn der erwähnte Cocktail von 13.000 Chemikalien, die sich häufig nicht miteinander vertragen und gar nicht deklariert werden, steht einem effektiveren Recycling im Wege. Hinzu kommen noch unbekannte Chemikalien, die im Produktionsprozess entstehen.

Darüber hinaus ist der Lobbydruck noch stärker geworden: Die Anzahl von Industrievertreter:innen allein aus dem fossilen und petrochemischen Sektor ist im Vergleich zur vorherigen Runde um 36 Prozent gestiegen und übertrifft nun die zusammengenommene Zahl der Verhandlungsführer:innen der G7-Länder.

Die verhärteten Fronten haben dazu geführt, dass man sich auch auf kein Mandat für „intersessional work“, also weiterführende Arbeiten zwischen den Verhandlungsrunden, einigen konnte. Das gefährdet das Ziel, die Verhandlungen bis 2024 mit einem Abkommen abzuschließen, massiv. Dennoch ist es vielleicht besser, eine zusätzliche Verhandlungsrunde mit einem guten Ergebnis zu haben als einen schnellen, aber dafür weniger weitreichenden Kompromiss, den man später kaum noch korrigieren kann.

Es bleibt zu hoffen, dass die Staaten auch ohne Mandat für „intersessional work“ informell weiterarbeiten und so den Weg für weiterführende Verhandlungen nächstes Jahr in Ottawa ebnen.

(Bild: AWI)

 
 
 
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Systemingenieur:in für Mondmissionen
 

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Europäische Weltraumorganisation (ESA) errichten am Standort Köln-Porz mit dem Projekt LUNA eine wegweisende Anlage zur Vorbereitung künftiger astronautischer und robotischer Mondmissionen. Als Teil des Teams werden Sie unter anderem verantwortlich sein für Entwurf, Entwicklung und Wartung von Software und Softwaremodulen für Satellitenkommando- und Datensysteme, einschließlich der Tests und Integration in umfassende Systeme.

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Helmholtz in den Medien
 
 
 

Vulkanausbruch: „Der Spiegel“ berichtet in diesem Hintergrundbericht über den Vulkanausbruch auf der isländischen Reykjanes-Halbinsel. Verschiedene Fachleute ordnen die Geschehnisse ein, darunter Thomas Walter vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ). Der Spiegel

Innovation: Die Süddeutsche Zeitung berichtet über ein neues Bremssegel für Satelliten, das von Forschenden des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt erfolgreich getestet wurde. Das Segel mit dem Namen ADEO-L soll zukünftig Weltraumschrott verhindern, indem es Satelliten den schnelleren Eintritt in die Atmosphäre ermöglicht, wo diese dann verglühen. ADEO-L soll in einigen Jahren in großen Stückzahlen zur Verfügung stehen. SZ

Gentherapie: In der aktuellen Ausgabe der Tagesspiegel-Serie „3 auf 1“ bewertet Simone Spuler vom Max Delbrück Center als eine der drei Expert:innen eine neu zugelassene Gentherapie für schwer behandelbare Blutkrankheiten. Erstmals wurde zur Herstellung des Medikaments „Casgevy“ die Genschere Crispr/Cas9 eingesetzt. Spuler hält die Zulassung für „ein extrem wichtiges Signal“ und die Risiken beim Einsatz der Genschere für kontrollierbar. Tagesspiegel

E-Autos: Die taz berichtet über eine neue Studie des Karlsruher Instituts für Technologie und des Verbands der Ingenieure. Die Studienautor:innen haben errechnet, dass E-Autos und Plug-in-Hybride in der Kompaktklasse ab 90.000 gefahrenen Kilometern eine deutlich bessere Ökobilanz haben als ein Diesel oder Benziner derselben Fahrzeugklasse. taz

Nord- und Ostsee: Die Forschungsmission „SustainMare“ der Deutschen Allianz Meeresforschung erforscht seit 2021 die zukünftige Entwicklung von Nord- und Ostsee und erarbeitet daraus Handlungswissen für Politik und Gesellschaft für einen nachhaltigen Umgang mit dem Meeresraum und seinen Ökosystemleistungen. Die taz zieht nach zwei Jahren Forschungsarbeit Resümee und hat dazu mit Corinna Schrum vom Helmholtz-Zentrum Hereon gesprochen. Neben dem Hereon sind auch das Alfred-Wegener-Institut, das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Teil der Mission. taz

 
 
 
Nachhaltiger Kaviar und Fisch auf dem Tisch
 
 
 
 
 
 
 

Das Festbankett zur Nobelpreisverleihung ist in der Regel ein kulinarischer Höhepunkt – jedoch noch nie mit Kaviar, denn der Rogen war bisher nicht nachhaltig und wurde auch nicht originär in Schweden produziert. Mit dem Kaviar, der nach dem AWI-Verfahren für nachhaltige Kaviarproduktion ohne Tötung der Störe hergestellt wird, ändert sich das, sodass er in diesem Jahr erstmals von den Sterneköchen des Festbanketts zur Nobelpreisverleihung verwendet werden konnte. Wer nicht gleich das Nobelpreis-Bankett auftischen möchte, ist vielleicht an nachhaltig gefangenem Fisch für das weihnachtliche Festessen interessiert ist. Dafür sei die Liste „Guter Fisch" empfohlen. Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH), das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU), der World Wide Fund For Nature (WWF) und die Verbraucherzentralen haben diese Liste für den bewussten Fischeinkauf jetzt aktualisiert.

 
 
 
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Herausgegeben von: Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V., Anna-Louisa-Karsch-Str.2, 10178 Berlin

Redaktion: Sebastian Grote, Franziska Roeder, Martin Trinkaus
Fragen an die Redaktion senden Sie bitte an monthly@helmholtz.de

Bilder: Phil Dera (Editorial)

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