Ernährung
Wie viel Fleisch ist gesund?
Die Wissenschaft ist dem Rätsel des gesunden Essens auf der Spur: Welche Ernährungsweise für den Körper ideal ist, welche Rolle Fleisch dabei spielt und was von den modischen Fastenkuren zu halten ist – das ist mittlerweile gut untersucht.
Stapeln wir einige Steaks auf einen Teller, 200 Stück, um genau zu sein. Ein solcher Berg an Steaks würde in manchem Restaurant bis an die Decke reichen. So viel Fleisch isst jeder Deutsche im Schnitt pro Jahr. Genau genommen rund 60 Kilogramm, darin sind natürlich nicht nur Steaks enthalten, sondern auch Wurst, Schinken, Fisch, Geschnetzeltes. Klingt viel, andererseits geht es ja um den Jahreskonsum. Bricht man die Zahl herunter auf eine Woche, kommt man auf knapp 1,2 Kilogramm Fleisch. Das sind in etwa: zwei Steaks, zwei große Packungen Wurst, zwei Portionen Fleischsalat, einmal Geschnetzeltes und ein Hähnchenbrustfilet. Ist das zu viel? Unproblematisch?
Wer Fleisch isst, sollte nicht mehr als 300 bis 600 Gramm wöchentlich verzehren.
Was genau macht das Fleisch in unserem Körper, welche Probleme kann es verursachen? Ist es womöglich der Gesundheit zuträglich, Fleisch zu essen? Oder sollte man bewusst darauf verzichten? Auf diese Fragen finden Forscher zunehmend verlässliche Antworten. So kommt es nicht nur darauf an, wie viel Fleisch man isst, sondern auch darauf, welches Fleisch.
Aber bleiben wir zunächst beim Wieviel. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt: Wer Fleisch isst, sollte nicht mehr als 300 bis 600 Gramm wöchentlich verzehren. „Diese Empfehlungen sind letztlich das Konzentrat aus Tausenden Studien zum Thema und entsprechen damit dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand“, sagt Tilman Kühn, Leiter einer Arbeitsgruppe für Ernährungsepidemiologie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Das ist gerade einmal die Hälfte der aktuell in Deutschland verzehrten Fleischmenge. Während dieser Wert hierzulande in den vergangenen Jahren konstant auf hohem Niveau geblieben ist, wächst die Nachfrage weltweit drastisch: zwischen den Jahren 1990 und 2013 um rund 30 Prozent.
Der übermäßige Fleischkonsum ist wegen des Ressourcenverbrauchs nicht nur ökologisch problematisch. Kühn zufolge bringt er auch mehrere gesundheitliche Risiken mit sich: So werden bei der starken Erhitzung von Fleisch gleich mehrere potenziell schädliche Substanzen gebildet, darunter sogenannte heterozyklische Amine und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), durch Pökeln – also eine Behandlung, die das Fleisch haltbarer macht – entstehen auch Nitrosamine. All diese Substanzen können die Entstehung von Krebserkrankungen begünstigen, vor allem erhöhen sie das Darmkrebsrisiko. Methoden wie das Pökeln und das starke Erhitzen kommen besonders bei industriell verarbeitetem Fleisch zum Einsatz, dazu zählen etwa Wurst und Schinken. Entsprechend sind verarbeitete Fleischprodukte laut Kühn besonders ungesund.
Auch sogenanntes rotes Fleisch wie beispielsweise von Rind und Schwein scheint dem Körper zuzusetzen, ein erhöhter Verzehr geht mit einem größeren Risiko für die Entstehung von Darmkrebs einher. Warum ausgerechnet rotes Fleisch so problematisch ist, darüber gibt es verschiedene Theorien. Die sogenannte Eisenlasthypothese stützt sich darauf, dass in rotem Fleisch eine vergleichsweise hohe Menge an Eisen enthalten ist. Es wird seit Längerem vermutet, dass hohe Mengen an Eisen im Blut das Krebsrisiko steigern. Tilman Kühn vom DKFZ hat diese Vermutung vor Kurzem zusammen mit Kollegen in einer größeren Studie untersucht, doch sie konnten keine Zusammenhänge zwischen der Konzentration des Eisenspeicherproteins Ferritin im Blut und verschiedenen Krebsarten nachweisen.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch andere Studien. Eine weitere These: Viren und Mikroorganismen aus dem roten Fleisch können im Verdauungstrakt des Menschen zu Krebs führen. Wissenschaftler um den Nobelpreisträger Harald zur Hausen glauben die Ursache gefunden zu haben: Demnach ist für das erhöhte Darmkrebsrisiko eine bisher unbekannte Klasse von Erregern verantwortlich. Diese "Bovine Milk and Meat Factors (BMMF)" gelangen durch den Konsum von Fleisch- und Milchprodukten des europäischen Rinds (Bos taurus) in den menschlichen Darm. Dort kommt es zu einer chronischen Entzündung, die indirekt die Entstehung von Darmkrebs fördert. Fest steht: Im Vergleich zu rotem Fleisch scheint weißes Fleisch von Fisch und Geflügel in Maßen ein vergleichsweise geringes Gesundheitsrisiko mit sich zu bringen.
„Übermäßiger Fleischkonsum kann nachweislich die Entstehung von Herz-Kreislauf-Krankheiten und Diabetes begünstigen.“
Vom Standpunkt einer gesunden Ernährung betrachtet gibt es also eine Art Hierarchie: Idealerweise sollte gar kein industriell verarbeitetes Fleisch und nur in geringen Mengen rotes Fleisch konsumiert werden. Weißes Fleisch kann in angemessenen Mengen hingegen bedenkenlos verzehrt werden.
Natürlich enthält Fleisch auch Substanzen, die für den Körper wichtig sind; darunter Vitamin B12, Eisen, Selen und Zink. Fisch ist zusätzlich noch reich an Omega-3-Fettsäuren und Jod. Doch Fleisch, selbst unbehandeltes weißes Fleisch, hat eben auch Bestandteile, die für die Gesundheit problematisch sein können. So ist beispielsweise in der Regel der Fett- und Cholesterinanteil in Fleisch recht hoch. "Übermäßiger Fleischkonsum kann nachweislich die Entstehung von Herz-Kreislauf-Krankheiten und Diabetes begünstigen", sagt Hans Hauner, Professor für Ernährungsmedizin und Leiter der klinischen Kooperationsgruppe „Nutrigenomics und Typ-2-Diabetes mellitus“ zwischen der Technischen Universität München und dem Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (HMGU). Darüber hinaus enthält Fleisch auch einiges von einer Substanz namens Arachidonsäure – einer Omega-6-Fettsäure – und ihrer Stoffwechselprodukte. "Sie provoziert das Immunsystem, es kann zu einer Entzündungsreaktion kommen, die wiederum für den Körper eine Belastung ist", sagt Hauner. Diese Entzündungsreaktionen hängen von der Menge an Fleisch und Fleischprodukten ab und werden meist gar nicht bemerkt. Doch sie setzen den Organismus unter Stress.
"Wer vollwertig vegetarisch isst, dessen Körper fehlt nichts. Im Gegenteil, wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge ist eine vegetarische Ernährung sogar sehr gesund."
Sollte man sich also vegetarisch ernähren? Laut Kühn lebt ein Vegetarier gesünder als jemand, der größere Mengen Fleisch isst: "Wer vollwertig vegetarisch isst, dessen Körper fehlt nichts. Im Gegenteil, wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge ist eine vegetarische Ernährung sogar sehr gesund." Lediglich bei einer veganen Lebensweise, bei der neben Fleisch auch alle anderen tierischen Produkte wie Eier und Milch auf der Verzichtsliste stehen, ist es nötig, einzelne Substanzen wie Vitamin B12 durch Nahrungsergänzungsmittel zu ersetzen. "Beachtet man das, kann auch eine vegane Ernährung gesund sein", sagt Kühn.
In diese Richtung weist ein dem steigenden Fleischkonsum gegenläufiger Trend: hin zur vegetarischen und veganen Lebensweise. Vor allem in Großstädten entstehen vegane Restaurants, in vielen Supermärkten gibt es längst gekennzeichnete Regale mit veganen Waren. Die meisten Menschen bewegen sich wohl irgendwo in der Mitte zwischen einer sehr fleischhaltigen und einer streng veganen Ernährung. Doch es kommt nicht nur beim Fleisch auf die Menge an. Wissenschaftler konnten wiederholt zeigen, dass eine sogenannte niedrigkalorische Diät – das bedeutet letztlich nichts anderes, als weniger zu essen – der Gesundheit zuträglich ist und sogar das Leben verlängert. Beim Fasten wird dieses Konzept auf die Spitze getrieben. Der Körper und sein Stoffwechsel leiten eine Art Selbstreinigung in die Wege, man entgiftet sich ein Stück weit, Stichwort „Detox“ – so zumindest eine weit verbreitete Meinung (Was bringt Intervallfasten?).
Inwiefern das zutrifft, hat Tilman Kühn vom DKFZ in einer Studie untersucht, die vor wenigen Wochen im Fachmagazin „The American Journal of Clinical Nutrition“ erschienen ist. Dabei hat man 150 Probanden in drei Gruppen unterteilt: Ein Drittel ernährte sich zwölf Wochen nach einer herkömmlichen Reduktionsdiät, bei der die Kalorienaufnahme um 20 Prozent gesenkt wurde. Eine zweite Gruppe verschrieb sich dem sogenannten Intervallfasten, besser bekannt als 5:2-Diät. Bei der 5:2-Diät fastet man zwei Tage in der Woche. Beide Diäten sind in Deutschland derzeit äußerst populär. Die dritte Gruppe verfolgte als Kontrollgruppe keinen kalorienreduzierten Ernährungsplan.
Das Ergebnis der Studie: Fasten bringt in Bezug auf Körpergewicht und Stoffwechselgesundheit Vorteile gegenüber einer normalen Ernährung – nicht aber gegenüber einer niedrigkalorischen Diät. „Das Entscheidende scheint für die Gesundheit zu sein, dass man insgesamt weniger isst. Ob man nun in einem bestimmten Zeitraum gar nichts isst oder einfach insgesamt weniger, spielt dabei offenbar keine wesentliche Rolle“, sagt Kühn. Womöglich falle es den Menschen aber leichter, weniger zu essen, wenn sie durch das Fasten eine Art Rahmen mit klaren Regeln haben. Betrachtet man es so, ist das Fasten also eine Art Selbsterziehung.
"Das Entscheidende scheint für die Gesundheit zu sein, dass man insgesamt weniger isst."
Einige andere Faktoren sind der Gesundheit ebenfalls zuträglich: mehrere Portionen Obst und Gemüse am Tag. Bei Brot, Nudeln, Reis und Mehl eher für Vollkorn entscheiden. So wenige industriell verarbeitete Produkte wie möglich. Salz und Zucker sparsam einsetzen. Langsam und bewusst essen. Mindestens 1,5 Liter Wasser täglich trinken, möglichst keine gesüßten Getränke. Und eben idealerweise auch höchstens zwei Mal die Woche Fleisch essen, insgesamt nicht mehr als 600 Gramm. Dann schmeckt es an den jeweiligen Mahlzeiten auch besonders gut.
Fleischlos glücklich?
Aus gesundheitlichen und ökologischen Gründen sollten wir weniger Fleisch essen. Doch das Bedürfnis nach einem saftigen Schnitzel, Würstchen oder Steak ist stärker als die Vernunft. Dabei stehen bereits heute Alternativen zu herkömmlichem Fleisch im Supermarktregal – und künftig kommen noch einige neue hinzu.
Ein Überblick über Fleischalternativen
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