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Hirnforschung

Tacho im Gehirn entdeckt

Quelle: DZNE / Falko Fuhrmann

Eine Art Navigationssystem im Gehirn macht es möglich, dass wir uns an Orte und Wege erinnern. Jetzt haben Forscher einen hirneigenen Tacho entdeckt, der das Navi über unser Lauftempo informiert.

Verschlafen - so ein Mist! Jetzt muss alles ganz schnell gehen: Zähneputzen, anziehen und dann nichts wie zur Bushaltestelle. Rechts die Straße runter, beim Nachbarn vorbei, der morgens immer laut Radio hört, beim Bäcker links und dann hinter dem Fahrradladen ist schon die Haltestelle. Wir finden den Weg auch ohne viel nachzudenken. Dass wir uns orientieren und Wege merken können, verdanken wir unserem Ortsgedächtnis im Hippocampus. Hier sitzt eine Art Navigationssystem. Es sorgt dafür, dass wir unsere Position bestimmen können, von einem Ort zum anderen finden und uns an Wege und Ortsmarken erinnern können. Der letzte Nobelpreis für Medizin ging an drei Forscher, die dieses Navigationssystem entdeckt haben.

Das Radio, der Bäcker, der Fahrradladen, alles fliegt nur noch vorbei. Doch woher weiß das Navigationssystem in unserem Hirn, wie schnell wir uns bewegen? Wie und wo wird die Geschwindigkeit gemessen und an den Hippocampus weitergeleitet? Beim Sprint zur Haltestelle laufen bestimmte Nervenzellen in unserem Ortsgedächtnis zur Hochform auf: "Sie feuern umso häufiger, je schneller wir laufen", sagt Stefan Remy, Neurowissenschaftler am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). "Auf diese Weise wird gewährleistet, dass wir uns orientieren können, auch wenn wir uns schnell fortbewegen."

Remy und seine Kollegen konnten in ihrer aktuellen in der Fachzeitschrift Neuron veröffentlichten Studie bei Mäusen die verantwortliche Hirnregion ausmachen. "Das Mediale Septum besteht aus wenigen tausend Zellen und ist direkt mit dem Hippocampus verbunden", erklärt Remy. "Es misst wie eine Art Tachometer unser Lauftempo, leitet die Information an unser Ortsgedächtnis weiter und gibt dort im wahrsten Sinne des Wortes den Takt an." Und das ist wichtig, damit der Abgleich von Sinneswahrnehmungen - das laute Radio, der Geruch nach frischen Brötchen und das Schaufenster des Fahrradladens - mit dem Ortsgedächtnis auch bei hoher Bewegungsgeschwindigkeit funktioniert.

"Die Studie bringt die Hirnforschung auf dem Gebiet des Ortsgedächtnisses einen großen Schritt weiter", findet Andreas Draguhn, Neurowissenschaftler an der Universität Heidelberg. "Sie beantwortet die bislang ungeklärte Frage, wie sich unser Ortsgedächtnis auf unterschiedliche Geschwindigkeiten der Fortbewegung einstellt." Und es gibt noch eine weitere interessante Entdeckung: Das Mediale Septum gibt den Startschuss für die Bewegung selbst und legt sogar die Geschwindigkeit vorab fest. "Unser Gehirn weiß also interessanterweise schon vorher, wann und wie schnell wir zum Bus rennen werden", erklärt Remy. "Die Funktion dieser Hirnregion geht über die eines Tachos deutlich hinaus. Es wird uns bei unserer zukünftigen Forschung sicher noch eine Weile in Atem halten." Aber erst mal geschafft - da kommt der Bus!

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