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Kommentar

Krebsforschung braucht starke Teams

Prof. Dr. Michael Baumann ist Wissenschaftlicher Vorstand des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ). Bild: Philip Benjamin/NCT

Wenn wir Krebs noch erfolgreicher als bisher behandeln wollen, benötigen wir eine effiziente translationale Krebsforschung. Sie ist auf eine langfristige Förderung, vielfältige Expertisen und hochspezialisierte Infrastrukturen angewiesen – und auf eine sehr enge Kooperation von Grundlagenforschern und klinisch tätigen Ärzten. Ein Kommentar von Michael Baumann

Vor keiner anderen Krankheit fürchten sich die Deutschen so sehr wie vor Krebs: Fast 70 Prozent der Bundesbürger haben Angst vor einem bösartigen Tumor – weitaus mehr als vor Demenz oder Schlaganfall. Tatsächlich stellt Krebs in unserer Gesellschaft die zweithäufigste krankheitsbedingte Todesursache dar. Obwohl in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte in der Grundlagen- und präklinischen Forschung erzielt wurden, können Krebserkrankungen dennoch erst bei der Hälfte der Patienten geheilt werden. Was können wir tun, um diese Quote zu verbessern?

Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg. Bild: NCT/Frank Ockert

Um Krebs noch gezielter und erfolgreicher zu behandeln, ist ein systematischer Ausbau der patientenorientierten translationalen Krebsforschung notwendig. Die Herausforderung für die nächsten Jahrzehnte besteht einerseits darin, durch verbesserte Prävention und neue diagnostische Methoden, Krebserkrankungen zu verhindern beziehungsweise den Anteil früh erkannter, heilbarer Krebserkrankungen messbar zu erhöhen. Andererseits müssen wir neue Behandlungsmethoden für fortgeschrittene Krebserkrankungen entwickeln, um diese in chronische Erkrankungen mit guter Lebensqualität umzuwandeln. Insbesondere muss die Krebsforschung optimal vernetzt werden, um allen Betroffenen einen flächendeckenden Zugang zu diesen Studien und Innovationen zu garantieren.

Zukunftsweisende Modelle sind das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) mit derzeit sieben Partnerstandorten und, als besonders schlagkräftige Innovation, das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) mit seinen bisher zwei Standorten in Heidelberg und Dresden. Jeder dieser Standorte wird vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) mit Partnern in der jeweiligen Hochschulmedizin getragen. So wurde das national bestehende Potenzial des DKFZ, als einem von Bund und Ländern getragenen internationalen Spitzenzentrum für die Krebsforschung, mit seiner hochschulmedizinischen, hochqualitativen Versorgung krebskranker Patienten systematisch genutzt, um die Erkenntnisse aus der Krebsforschung effektiv auszuschöpfen. Dieses positive Momentum sollte durch einen wissenschaftsgetriebenen Aufbau weiterer Standorte im DKTK und NCT sowie deren Verknüpfung mit den Möglichkeiten des DKFZ nachhaltig verstärkt werden.

Translationsforschung erfordert eine enge Kooperation von Grundlagenforschern und klinisch tätigen Ärzten. Neben gemischten Teams sind die Ausbildung nicht-ärztlicher Forscher in den Grundlagen der klinischen Krebsmedizin sowie die Brückenfunktion von Clinician Scientists kritische Erfolgsfaktoren. Clinician Scientists sind Ärzte, die sowohl in der Forschung tätig sind, als auch Patienten behandeln. Sie können Patienten die Teilnahme an zukunftsweisenden Studien anbieten und die Ergebnisse daraus wieder in die Forschung einfließen lassen. So tragen sie dazu bei, klinische Entwicklungen in die richtige Richtung zu lenken. In Deutschland gibt es derzeit deutlich zu wenige Clinician Scientists.

Auch für die internationale Wettbewerbsfähigkeit unseres Wissenschaftsstandortes ist es essenziell, exzellente Clini-cian Scientists auszubilden und ihnen attraktive Arbeitsplätze und Karriereaussichten zu bieten. Denn eine herausragende Forschungs- und klinische Umgebung sowie ein translationaler Team-Spirit mit interprofessioneller Zusammenarbeit auf Augenhöhe sind wesentliche Voraussetzungen zur Rekrutierung der besten Köpfe aus dem In- und Ausland. Ein solches Umfeld ist in klassischen klinischen Versorgungsstrukturen nur schwer zu etablieren. Es muss systematisch im Rahmen von Translationsplattformen wie DKTK und NCT aufgebaut werden.

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