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Interview

"Ich möchte Medikamente entwickeln, die Patienten erreichen."

Die vielen verschiedenen Krebsarten bedürfen unterschiedlicher Krebstherapien und Medikamente. Bild: picture alliance/Phanie

Bis eine neue Idee in der Krebstherapie den Weg zum Patienten findet, kann es einige Jahre dauern. Stefan Frings von der Roche Pharma AG erklärt, wie neue Therapien entwickelt werden, von welchen Faktoren die Produktion eines neuen Medikaments abhängt und was der Markt damit zu tun hat.

 

Stefan Frings ist Medizinischer Direktor der Roche Pharma AG in Deutschland. Nach seinem Facharzt für Innere Medizin entschied er sich für die Arbeit in der Industrie. Er möchte Mittel und Wege nutzen, um Medikamente zu entwickeln, die einen Unterschied für Patienten machen.

Herr Frings, wie schätzen Sie den derzeitigen Entwicklungsstand der Krebstherapie ein?

Wenn wir nur ein paar Jahrzehnte zurückblicken, sehen wir welche erheblichen Fortschritte in der Onkologie erzielt wurden. Bereits seit etwa 20 Jahren haben wir neben der Chirurgie, Strahlentherapie, klassischen Chemotherapie und Hormontherapie die "Targeted-Therapie", d.h. die zielgerichtete Therapie, als zusätzliche Säule etabliert. Seit wenigen Jahren entwickelt sich zudem die Krebsimmuntherapie als weitere neue Säule. Es gibt große Hoffnungen in diese Therapieform – und gleichzeitig auch eine enorme Investitionsbereitschaft.

Dr. Stefan Frings ist Medizinischer Direktor der Roche Pharma AG in Deutschland, Bild: privat

Wie aktiv ist Ihr Unternehmen im Bereich der Krebsforschung?

Die Onkologie ist seit einigen Jahrzehnten einer der Schwerpunkte von Roche. Wir sind in vielen Ländern Marktführer bei Medikamenten für die Krebstherapie. Der Markt ist sehr kompetitiv, was aber Patienten und Kostenträgern zugutekommt. Denn die Investitionsbereitschaft ist hoch und sorgt dafür, dass unterschiedliche Firmen zahlreiche Therapieansätze verfolgen, neue Wirkstoffe entwickeln und versuchen, diese auf den Markt bringen.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Grundlagenforschern und Ihrem Unternehmen?

Roche ist nicht nur im Vertrieb zu verorten, vor allem sind wir auch ein forschendes Pharmaunternehmen, das circa 10 Milliarden Schweizer Franken im Jahr für Forschung und Entwicklung ausgibt. Ein Großteil dieser Investitionen fließt in die klinische Forschung, wir investieren aber auch in die präklinische Laborforschung. Ein Schwerpunkt bei uns ist die translationale Forschung, also die Integration der Grundlagenforschung mit der klinischen Situation, bzw. den Patientendaten. Man muss aber auch bedenken: Wir beschäftigen etwa 15.000 Forscher bei Roche – außerhalb des Unternehmens gibt es aber mehr als 15 Millionen. Das bedeutet für uns, dass wir mit offenen Augen und Ohren auf die Wissenschaftler der Spitzenforschung zugehen müssen. In Deutschland gibt es viele hochrangige akademische Institute und Forschungseinrichtungen, wie z.B. die Zentren der Helmholtz-Gemeinschaft. Deswegen ist Deutschland auch ein wichtiges Land für uns für die kollaborative Zusammenarbeit.

Wie wird entschieden, in welches neue Medikament investiert wird?

In unserem Unternehmen gibt es eine Matrix: Zuerst muss der "Medical Need", also der Medizinische Bedarf vorhanden sein. Dann muss absehbar sein, dass das geplante Produkt gute Chancen hat, erfolgreich entwickelt zu werden, d.h. dass der Wirkstoff ein positives Risiko-/Nutzenprofil in einem Studienprogramm erreicht, mit nachfolgender regulatorischer Zulassung und auch von den Kostenträgern erstattet werden wird. Die kompetitive Situation spielt bei der Entscheidung ebenfalls eine sehr große Rolle. Wir streben an, die Besten oder die Ersten für einen Wirkmechanismus bei einem Krankheitsbild zu sein. Wir entwickeln keine Produkte, wenn andere Firmen den Markt bereits durch gut differenzierte Produkte etabliert haben. Unser Motto ist also: "best" oder "first in class", aber nicht "we too". Kommerzielle Fragen stellen wir dabei hinten an. Wir überlegen nicht initial wie viel Geld wir mit einer Substanz verdienen können, sondern wo besteht ein großer medizinischer Bedarf.

Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft der Krebstherapie aus? Was ist in den nächsten Jahren an Entwicklungen oder neuen medizinischen Errungenschaften zu erwarten?

Neben der Medikamentenentwicklung spielt in Zukunft die diagnostische Entwicklung eine große Rolle. Wir untersuchen bereits jetzt viel genauer das molekularbiologische Profil der Tumore, die Bildung von Escape-Mechanismen sowie die Beschaffenheit der Immunzellen und auch die Host-Bedingungen wie z.B. die Darmbakterien der Patienten. Die bessere Diagnostik wird in Zukunft eine wichtige Errungenschaft sein. Die bisherigen Therapien werden weiterhin bestehen, d.h.: Chirurgie, Strahlentherapie, Chemotherapie, Hormontherapie und die zielgerichtete Therapie – all diese wird es weiterhin geben. Auch wenn die Immuntherapie ein neuer sehr vielversprechender Ansatz ist, greift er leider bisher nicht immer oder nur in Kombination, so dass wir auch in Zukunft weiterhin für die optimale Versorgung von Patienten interdisziplinär und multimodal arbeiten werden.

Kann der Weg aus Ihrer Forschung zum Patienten beschleunigt werden?

Der Weg zum Patienten ist noch immer steinig. Leider dauert es in der Regel gut ein Jahrzehnt, bis eine Entdeckung in der klinischen Praxis ankommt – wenn es denn überhaupt gelingt. Aber es gibt Bestrebungen die Zulassungsverfahren zu beschleunigen: So kann die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA besonders vielversprechenden Präparaten den Status der "breakthrough designation" verleihen. Das bedeutet, dass das Zulassungsverfahren eines Medikaments mit diesem Status beschleunigt wird. Bei Roche haben wir bereits 19 mal diesen Status von der FDA verliehen bekommen, was der Spitzenplatz in der Industrie ist.

Wie läuft die Einführung neuer Medikamente in Deutschland ab?

Im deutschen System gibt es schon einige spezielle Anforderungen. Das Produkt muss nicht nur die regulatorische Zulassung erzielen, gleichzeitig ist auch der nachfolgende Nutzenbewertungsprozess durch den G-BA eine Herausforderung. Natürlich entsteht da eine Spannung im System: Als Firma wollen wir möglichst schnell neue, vielversprechende Medikamente den Patienten zur Verfügung stellen – gleichzeitig bestehen von Seiten der Kostenträger Sorgen, dass Medikamente, die nicht einen eindeutigen Zusatznutzen nachgewiesen haben, ungerechtfertigte Kosten verursachen. Anfallende Kosten wollen nur getragen werden, wenn der Mensch durch das neue Medikament länger oder besser lebt. Und das muss erst einmal eindeutig bewiesen werden.

Was hat Sie gereizt nach Ihrem Facharzt in Innerer Medizin in die Wirtschaft zu wechseln?

Für einen Arzt, der im Krankenhaus arbeitet, ist die Arbeit in der Industrie zunächst wie eine "Black Box". Ich wusste nicht, was auf mich zukommt. Ich habe es riskiert herauszufinden, was man in der Industrie machen kann und ich bin unverändert begeistert über die Möglichkeiten, die einem als Arzt in der Industrie geboten werden.

Was motiviert Sie besonders in Ihrer Arbeit in der Industrie?

Es ist ein gutes Gefühl, Mittel und Wege zu finden, den Fortschritt für Patienten mit schweren Erkrankungen voranzutreiben. Ich sehe mich dabei eher in der Medizinforschung und -kommunikation tätig, als in der Wirtschaft. Das wirtschaftliche Interesse unseres Unternehmens hängt jedoch klar damit zusammen, dass wir das benötigte Geld für die Forschung durch Medikamentenverkäufe wieder akquirieren. Vor allem möchte ich Medikamente entwickeln, die Patienten erreichen und einen Unterschied für den Patienten machen. Ich möchte, dass Menschen besser oder länger leben können.

Die Roche Pharma AG ist eine Tochtergesellschaft der Roche Deutschland Holding GmbH und hat ihren Sitz in Grenzach-Wyhlen, Baden-Württemberg. Die Division Pharma von Roche ist ein Anbieter von klinisch differenzierten Arzneimitteln. Das Unternehmen engagiert sich in der Forschung und Behandlung von Krebskrankheiten und verfügt über Medikamente zur Behandlung von Brust-, Haut-, Dickdarm-, Eierstock- und Lungenkrebs sowie weiteren Krebskrankheiten.

Einer gefürchteten Erkrankung auf der Spur: Was kann die Krebsforschung heute und morgen leisten?
Am 19. Februar dreht sich auf der FOKUS-Veranstaltung in Berlin alles rund ums Thema Krebsforschung. Stefan Frings steht Ihnen als einer von drei Experten auf dem Podium für Fragen zu Verfügung. Diskutieren Sie mit!

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