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Langzeitfolgen von COVID-19

Dauerhaft erschöpft nach einer Infektion?

Viele COVID-19-Patienten fühlen sich auch Monate nach ihrer Erkrankung dauerhaft erschöpft. Bild: Stock-Asso/Shutterstock.com

COVID-19 kann bei einigen Infizierten auch ein chronisches Erschöpfungssyndrom auslösen. Wie viele Patienten betroffen sind – und warum die Krankheit bisher nur schwer erkannt und behandelt werden kann.  

Nach einem Jahr mit SARS-CoV-2 wissen wir immer mehr über das Virus und die von ihm ausgelöste Erkrankung COVID-19. Mittlerweile ist klar, dass ein kleiner Teil der Erkrankten nach der Genesung unter verschiedenen Spätfolgen leiden kann – die Spanne reicht von Kurzatmigkeit über Beeinträchtigungen der Lungen-, Nieren- und Leberfunktionen sowie des Gehirns bis zum vorübergehenden Geruchs- und Geschmacksverlust.

Carmen Scheibenbogen leitet das Charité Fatigue Zentrum und ist Professorin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. (Bild: Charité)

Auch das sogenannte chronische Erschöpfungssyndrom bzw. das Chronische Fatigue-Syndrom (CFS) zählt zu den möglichen Langzeitfolgen einer COVID-19-Erkrankung. „Wir sehen seit dem Sommer vermehrt Patienten in unserer Ambulanz, die auch Monate nach einer durchgemachten Infektion mit SARS-CoV-2 noch über anhaltende Erschöpfung und viele weitere Beschwerden klagen“, sagt die Immunologin und Onkologin Carmen Scheibenbogen, Professorin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und Leiterin des Charité Fatigue Zentrums. Viele dieser Patienten erfüllten die Kriterien für das Chronische Fatigue-Syndrom, sagt sie. „Das ist alarmierend – und zugleich verwundert es wenig.“

Alarmierend ist es, weil CFS in vielen Fällen eine schwere Krankheit ist. Sie ist gekennzeichnet durch dauerhafte, umfassende Schwäche. Die Ausprägungsformen reichen von deutlichen Einschränkungen im Alltag bis hin zu ständiger Bettlägerigkeit, verbunden mit Stressintoleranz. Allein ein Telefongespräch etwa kann die Betroffenen schon überfordern. Viele Betroffene sind dauerhaft arbeitsunfähig.

Das Chronische Fatigue-Syndrom wird oft nicht erkannt

Über die tatsächliche Häufigkeit der Erkrankung gibt es nur Schätzungen. Denn das von der Weltgesundheitsorganisation WHO als neurologische Krankheit klassifizierte CFS wird oft nicht diagnostiziert, weil viele Mediziner es kaum kennen oder fälschlicherweise als eine psychische Erkrankung einordnen. Es ist eine klinische Diagnose, denn es gibt keinen Test, keinen Blutwert, mit dem sich CFS direkt nachweisen lässt. Mediziner schätzen, dass insgesamt 300.000 bis 400.000 Menschen in Deutschland unter Fatigue leiden. Frauen sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer.

„Eine Virusinfektion kann Auslöser des Fatigue-Syndroms sein.“

Dass eine Infektion mit SARS-CoV-2 chronische Erschöpfung verursachen kann, hält Carmen Scheibenbogen für naheliegend: „Viele der Mechanismen, wie die Krankheit ausgelöst wird und wie sie chronisch wird, sind noch Gegenstand der Forschung. Aber wir wissen bereits, dass meist eine Virusinfektion, darunter häufiger das Eppstein-Barr-Virus, Influenza und auch Coronaviren, Auslöser des Fatigue-Syndroms sein können.“ Studien beim Chronischen Fatigue-Syndrom in Folge anderer Infektionen deuteten darauf hin, dass bei manchen Menschen eine Fehlfunktion des Immunsystems die Ursache ist. Bestimmte Antikörper, die als Reaktion auf eine Infektion gebildet werden, richten sich dann möglicherweise gegen sogenannte adrenerge Rezeptoren. Das sind körpereigene Rezeptoren, die von den natürlichen Botenstoffen Adrenalin und Noradrenalin aktiviert werden und verschiedene Effekte auslösen. Sehr vereinfacht kann man diese Rezeptoren so beschreiben, dass sie im Körper grundsätzlich aktivierend wirken. Durch die Antikörper werden sie dezimiert – was letztlich, auch das ist sehr vereinfacht, viele Faktoren hemmt, die auf den Körper aktivierend wirken.

Wie häufig eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus CFS verursacht, ist aber noch keineswegs gesichert. „Wenn ich hochrechne, wie viele COVID-19-Fälle es in Berlin gab und wie viele Patienten mit CFS in die Ambulanz kamen, dann kann ich mir schon vorstellen, dass vielleicht ein Prozent aller Infizierten ein Erschöpfungssyndrom entwickelt“, sagt Scheibenbogen. Aber um dazu eine verlässliche Aussage zu treffen, brauche es noch weitere Studien. Scheibenbogen selbst und ihre Kollegen arbeiten derzeit daran. Schon jetzt zeichnet sich ab: Je mehr Symptome man anfangs hatte, umso höher das Risiko für Langzeitverläufe.

Die Erschöpfung oder medizinisch Fatigue genannt ist bei einer akuten COVID-19-Erkrankung eines der wichtigsten Leitsymptome. So haben in einer Studie im Fachmagazin JAMA der American Medical Association italienische Ärzte um den römischen Gerontologen Angelo Carfì Patienten während der Infektion und in den Monaten danach befragt. 80 Prozent gaben während der Infektion an, an Fatigue zu leiden – das erscheint angesichts des Krankheitsverlaufs noch naheliegend. Bei vielen verschwindet die Erschöpfung nach der akuten Infektion rasch. Zwei Monate später klagten aber immer noch 50 Prozent der Patienten über Erschöpfungssymptome.

„Insgesamt können wir bei den meisten Patienten die Erkrankung bislang nicht heilen.“

Natürlich erfüllt nur ein Bruchteil derjenigen, die sich abgeschlagen fühlen, die Kriterien für CFS. So geht es zunächst darum, mögliche andere Ursachen wie Lungenfunktionsstörungen und weitere Erkrankungen, die durch COVID-19 ausgelöst werden können, auszuschließen. Und bei vielen Patienten zeigen diese Untersuchungen keinen auffälligen Befund; bei den meisten verschwinden die Beschwerden nach spätestens einem halben Jahr vorn allein. Die Diagnose CFS kann daher frühestens nach 6 Monaten gestellt werden.

Bisher gibt es keine Therapie, die die Ursachen behandelt

Aber nicht nur die Diagnose, auch die Behandlung ist eine Herausforderung. Eine Therapie, die auf die Ursachen zielt, gibt es bislang nicht. Es geht vielmehr darum, die Symptome zu behandeln: Schlafstörungen, Schmerzen, Kreislaufprobleme. Auch Entspannungsverfahren wie Yoga, autogenes Training, achtsamkeitsbasierte Stressreduktion und Meditation können helfen. Besonders wichtig: Körperliche Überanstrengung und Stress vermeiden, die eigenen Grenzen akzeptieren. Ansonsten können sich die Beschwerden weiter verschlechtern.

„Insgesamt können wir bei den meisten Patienten die Erkrankung bislang nicht heilen“, sagt Scheibenbogen. Ändert sich das aber womöglich bald? Man forscht derzeit daran. „Man versucht derzeit, mehr über die Krankheitsmechanismen vom Chronischen Fatigue-Syndrom herauszufinden.“ Also die Krankheit besser zu verstehen und – das zählt für alle Betroffenen – womöglich wirksamer zu behandeln.

Post-COVID-Sprechstunde der Charité

Chronisches Fatigue-Syndrom (CFS) / Myalgische Enzephalomyelitis (ME)

CFS/ME ist eine komplexe Erkrankung, die neben der schweren Erschöpfung mit verschiedenen körperlichen und mentalen Symptomen einhergeht. Bei der Mehrzahl der Patienten beginnt die Erkrankung mit den Symptomen einer Infektionskrankheit. In Deutschland ist CFS/ME bislang wenig bekannt und wird bei vielen Betroffenen nicht diagnostiziert, obwohl es eine relativ häufige Erkrankung ist. Es gibt bislang keinen diagnostischen Marker und keine zugelassenen Medikamente. 

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