F O R S C H U N G www ONLINE „In den nächsten 20 Jahren wird der Quantencomputer Realität“ – Interview mit Wolfgang Marquardt vom FZ Jülich: www.helmholtz.de/ quantencomputer stabilisiert werden. Doch das ist aufwendig und gelingt nur begrenzt. Wenn die Qubits stabiler wären, ließen sie sich zu Zehntausenden verknüp- fen, so die Hoffnung der Forscher. Und das ist die Zahl von Qubits, die nach Expertenschätzung für einen „richtigen“, universell einsetzbaren Quan- tencomputer nötig sein wird. An dieser Stelle setzt Kristel Michielsen am Jülich Supercomputing Centre an. Der dortige Supercomputer simuliert Quantencomputer. „Wir ahmen eine ideale Maschine nach und vergleichen die Resultate mit der echten“, sagt die Physikerin. Die Jülicher Forscher simulierten auch Googles Quantenchip, um die Ergebnisse zu verifizie- ren und die Leistung des Quantencomputers zu bestimmen. Die Rechenspiele dienen nicht zuletzt der Forschung am Quantencomputer. „Wir können damit besser verstehen, was die Qubits tun“, sagt Kristel Michielsen – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu stabileren Qubits. Ihre Hoffnung richten Forscher zudem auf neue Materialien für Qubits. Fast jedes Objekt, das den Regeln der Quanten- physik gehorcht, kommt infrage. Bewährt haben sich bereits Supraleiter, in denen Strom gleich- zeitig in zwei Richtungen fließt (wie im Jülicher OpenSuperQ), und Ionen, die zwei Energieniveaus simultan einnehmen. In Zukun können es aber auch unsichtbare, winzige Magnete sein, deren Nordpol simultan nach oben und unten zeigt, wie sie der Quantenforscher Wolfgang Wernsdorfer am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erforscht. Die Kerne von Atomen sind solche Magnete. „Durch die Elektronenhülle werden sie gut von der Umwelt abgeschirmt“, so Wolf- gang Wernsdorfer. „Allerdings erzeugen diese Magnete sehr schwache Signale, die sich schwer auslesen lassen“, sagt der Physiker, der am KIT eine Humboldt-Professur innehat. Er entwickelt eine Humboldt-Professur innehat. Er entwickelt eine Art Verstärker dafür: Mit seinen Kollegen eine Art Verstärker dafür: Mit seinen Kollegen legt er das magnetische Qubit in ein tellerförmi- legt er das magnetische Qubit in ein tellerförmi ges Molekül, in dem es einen messbaren Strom ges Molekül, in dem es einen messbaren Strom hervorru. Sehr viele davon mit einem Verstärker hervorru. Sehr viele davon mit einem Verstärker zu versehen, sehen die Karlsruher Forscher als zu versehen, sehen die Karlsruher Forscher als ihre Herausforderung. Der Vorteil solcher Qubits ihre Herausforderung. Der Vorteil solcher Qubits sei ihre Winzigkeit, sagt Wolfgang Wernsdorfer. sei ihre Winzigkeit, sagt Wolfgang Wernsdorfer. sei ihre Winzigkeit, sagt Wolfgang Wernsdorfer. Millionen davon ließen sich auf kleinstem Raum Millionen davon ließen sich auf kleinstem Raum konzentrieren. konzentrieren. Dass Qubits solche Mimosen sind, lässt sich Dass Qubits solche Mimosen sind, lässt sich auch nutzen: für besonders empfindliche, genaue auch nutzen: für besonders empfindliche, genaue und miniaturisierte Sensoren – ein weiteres Ziel und miniaturisierte Sensoren – ein weiteres Ziel der Quantentechnologie. Wegen ihrer geringen der Quantentechnologie. Wegen ihrer geringen Größe können Atome an unzugänglichen Orten Größe können Atome an unzugänglichen Orten eingesetzt werden, selbst im Körperinneren. Dort eingesetzt werden, selbst im Körperinneren. Dort könnten spezielle Sensoren, die auf der Quanten- könnten spezielle Sensoren, die auf der Quanten- technologie basieren, genutzt werden, um bei- technologie basieren, genutzt werden, um bei- spielsweise Tumore zu kartieren. Der große Vorteil: spielsweise Tumore zu kartieren. Der große Vorteil: Alle Teilchen einer Art sind identisch und reagie- Alle Teilchen einer Art sind identisch und reagie ren auf gleiche Reize gleich. Ein „Quantensensor“ ren auf gleiche Reize gleich. Ein „Quantensensor“ spart daher die regelmäßige Eichung, die Natur spart daher die regelmäßige Eichung, die Natur justiert ihn. justiert ihn. justiert ihn. „Man könnte sogar Gehirnströme genau genug messen, um Computer per Gedanken zu steuern.“ Arne Wickenbrock vom Helmholtz-Institut Mainz Arne Wickenbrock vom Helmholtz-Institut Mainz Arne Wickenbrock vom Helmholtz-Institut Mainz Arne Wickenbrock vom Helmholtz-Institut Mainz nutzt Stickstoffatome als Sensoren, die in einen nutzt Stickstoffatome als Sensoren, die in einen Diamanten eingebettet sind. Das Atom verhält sich Diamanten eingebettet sind. Das Atom verhält sich wie eine Kompassnadel, die auf winzige Magnetfel- wie eine Kompassnadel, die auf winzige Magnetfel der reagiert. „Bezogen auf sein Volumen hat dieser der reagiert. „Bezogen auf sein Volumen hat dieser Sensor die weltweit größte Empfindlichkeit“, sagt Sensor die weltweit größte Empfindlichkeit“, sagt der Physiker. Die Hülle aus Diamant schirmt ihn der Physiker. Die Hülle aus Diamant schirmt ihn gegen störende Umwelteinflüsse ab, sodass er gegen störende Umwelteinflüsse ab, sodass er zwei möglichen Zuständen einnehmen: entweder 0 oder 1. Ein Quantencomputer kann sich gleichzeitig in beiden Zuständen befinden; er kann mit zwei Qubits also nicht nur zwei, sondern zwei mal zwei verschiedene Zustände haben. Bei 50 Qubits sind dies schon mehr als eine Billiarde Zustände. Dementsprechend viele Rechnungen können durchführt werden. Eine weitere Regel der Quantenphysik ist der Welle-Teilchen- Dualismus. Denn Quanten führen quasi ein Doppelleben: Mal ver- halten sie sich wie Teilchen, mal wie eine Welle – je nach Art der Messung, die man an ihnen durchführt. Anschaulich wird dies mit diesem Experiment: Lässt man beispielsweise ein einzelnes Elektron auf eine Wand mit zwei Schlitzen zufliegen, sollte es sich nach der klassischen Physik entweder nur hin- ter dem linken oder nur hinter dem rechten Schlitz nachweisen lassen. Doch tatsächlich bildet sich ein In- terferenzmuster, als wären Wellen auf die Schlitze getroffen, die sich durch Über- lagerung schwächen oder verstärken, sodass sich das Interferenzmuster ergibt. Diese mysteriöse Eigenschaft von Quanten lässt sich ebenfalls für verschiedene Bereiche nutzbar machen: beispielsweise für präzise Navigations- geräte, die ohne Satelliten auskommen. 2 8 Helmholtz Perspektiven 01/2020