P O R T R ÄT Ingenieurin der Abwehr Die Immunologin Kathrin de la Rosa untersucht, wie körpereigene B-Zellen uns vor Infektionskrankheiten schützen. Im Labor will sie diese so verändern, dass sie schlagkräftige Antikörper gegen Erreger wie SARS-CoV-2 produzieren. E ine der vielen Hoff nungen von Kathrin de la Rosa schwimmt in einer trüben blassrosa Flüssigkeit. Im gleichmäßigen Rhythmus eines Schüttlers schwappt die Lösung bei 37 Grad Celsius in enghalsigen Kolben hin und her. Die Zelllinien darin sollen künstlich konstruierte Vari- anten von Antikörpern produzieren, die die Spike- Proteine des Coronavirus SARS-CoV-2 erkennen, also die Stachel auf der Virushülle. „Wir nutzen diese Zellen auch zur Herstellung der Viruspro- teine, mit denen wir in Blutproben von Corona- kranken nach Antikörpern suchen, die gegen das Coronavirus wirksam sind“, sagt Kathrin de la Rosa, die am Max-Delbrück-Centrum für Moleku- lare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) eine Nachwuchsforschungsgruppe zu Immunmechanismen und humanen Antikörpern leitet. Ihre Gesichtszüge liegen hinter einer Maske verborgen, doch in ihren Augen leuchtet die Wiss- begier, die sie dazu antreibt, die Mechanismen des Immunsystems zu ergründen. Man kann sich Kathrin de la Rosa als eine Ingenieurin des Abwehrsystems vorstellen. Sie schaut der Natur ihre erfolgreichsten Tricks ab, um den Menschen in Zukunft besser vor Infekti- onskrankheiten zu schützen. Vor allem widmet sie sich den B-Zellen, die zu den weißen Blutkörper- chen gehören. Diese können hochspezialisierte An- tikörper bilden, die Eindringlinge im Körper erken- nen und binden. Damit locken sie unter anderem Fresszellen an, die den Erreger zerstören. Kathrin de la Rosa will körpereigene B-Zellen im Labor so verändern, dass sie Antikörper produzieren, die noch schlagkräftiger sind als ihre natürlichen Vorbilder. Im Herbst 2020 bekam sie dafür einen Starting Grant des Europäischen Forschungsrats ERC. Ihre Hoff nung: mit den verbesserten Abwehr- proteinen Erreger in Schach zu halten, die unser Immunsystem überfordern, etwa HIV oder Coro- naviren. Eines Tages könnte es möglich sein, die Immunabwehr mit solchen B-Zellen zu ergänzen und so einen Schutz zu erwirken – ähnlich den zellbasierten Therapeutika gegen Krebs. Es war eine Immunologievorlesung im Biologie- grundstudium an der Universität Freiburg, die Kathrin de la Rosa die Augen für B-Zellen und Antikörper geöff net hat. Zuvor war sie von Pfl an- zen und biotechnologischen Verfahren begeistert, nun packten sie die Prozesse der Immunabwehr. „Es ist schwer zu greifen, was mich fasziniert hat. Ein bisschen wie bei einem Menschen, der sich verliebt“, sagt Kathrin de la Rosa. Sie verwarf ih- ren Plan, Biotechnologie zu studieren, und wählte stattdessen Immunbiologie als Hauptfach. „Mich hat gefesselt, dass es Millionen von Zellen in unse- rem Körper gibt, die alle unterschiedlich sind und auf unterschiedlichste Erreger reagieren können.“ Immer tiefer wollte sie in die Komplexität der B-Zellen und Antikörper vordringen. Ihre erste Forschungsarbeit begann sie damit, einen der Re- zeptoren zu studieren, mit denen B-Zellen mit ih- rer Umwelt in Kontakt treten. „Hinter jeder B-Zelle steckt eine ganze Welt, die unzählige Fragen auf- wirft“, sagt sie. Ihre Doktorarbeit machte sie am Universitätsklinikum in Freiburg, eingebunden in das Centrum für Chronische Immundefi zienzen (CCI). Dort werden unter anderem Gendefekte un- tersucht, durch die B-Zellen ihre Aufgabe schlecht oder gar nicht mehr wahrnehmen können. Als Postdoc ging sie in die Schweiz zu dem bekannten Immunologen Antonio Lanzavecchia ans Institute for Research in Biomedicine in Bellinzona. Hier konzentrierte sie sich auf die Kraft der Antikörper, den Menschen zu beschützen: vor Herpes, Grippe, Malaria. Sie erlernte Techniken, um Antikörper zu isolieren, und entwarf Experimente, um die Prozesse des Immunsystems auszulesen, zu ver- stehen und für ihre Zwecke zu nutzen. Bei einem dieser Experimente geschah etwas Unverhoff tes. Ihr Team suchte gerade nach eff ek- tiven Antikörpern gegen Malaria. Was sie fanden, war eine ganz neue Klasse von Antikörpern, die einen Trick anwenden, um den Malariaerreger Plasmodium falciparum unschädlich zu machen. Dieser Parasit entzieht sich der Immunantwort, indem er seine Oberfl äche ständig verändert. Helmholtz Perspektiven 02/2021 4 1