Klimawandel
Stadt, Land, Fluss!
Wetterextreme und verschobene Jahreszeiten - der Klimawandel ist bereits jetzt spürbar. Forscher wollen die Anpassung an seine Folgen ermöglichen, die Natur kann dabei helfen.
Bei Gebäuden wie diesen Mailänder Wohntürmen, die 2014 den Internationalen Hochhauspreis gewannen, geht es nicht nur um das Aussehen. Einer durchdachten Architektur kommt im Zuge des Klimawandels eine Schlüsselrolle zu: Begrünte Fassaden und Dächer helfen mit, in überhitzten Städten die Temperaturen zu senken und schaffen ein besseres Mikroklima. Experten fassen solche Ideen unter dem Schlagwort der naturbasierten Lösungen zusammen – Ansätze, die mit der Natur arbeiten oder von ihr inspiriert sind.
Auf den Klimawandel müssen sich aber nicht nur Metropolregionen vorbereiten, sondern auch ländliche Gegenden. Dort sind die Herausforderungen andere: In der Forstwirtschaft etwa gilt es, Generationen im Voraus zu denken – zum Beispiel bei der Frage, welche Bäume für die nächsten 30 bis 60 Jahre gepflanzt werden sollen. Besonders schwierig sind die Antworten auf solche Fragen deshalb zu finden, weil die Folgen des Klimawandels regional extrem unterschiedlich sein werden. Das erfordert zum einen eine länderübergreifende Zusammenarbeit, zum anderen regionale Lösungen. „Während es bei der Vermeidung von CO2-Ausstoß um globale Strategien geht, müssen Anpassungsstrategien lokal umgesetzt werden“, sagt Daniela Jacob. Sprich: Was bedeutet der Klimawandel für die konkrete Region? Was bedeutet er für einen speziellen Wirtschaftssektor? „Es muss mit den Akteuren vor Ort herausgearbeitet werden, welches die besten Lösungswege sind. Die Wissenschaft macht dabei keine Vorgaben, sondern zeigt Optionen auf und bietet Entscheidungsträgern notwendige Hintergrundinformationen.“
Dass der Dialog vor Ort wichtig ist, gilt auch für ein Forschungsthema, mit dem sich Aletta Bonn befasst. Die Professorin leitet am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig das Department für Ökosystemleistungen und hat analysiert, welche Rolle Moore spielen, wenn es um die Milderung des Klimawandels geht – auch Mitigation genannt.
„Moore nehmen in Deutschland rund fünf Prozent der Fläche ein. Obwohl das zunächst nicht viel zu sein scheint, sind sie für den Klimaschutz doch ein bedeutungsvolles Ökosystem“, sagt Aletta Bonn. „In ihnen sind nämlich im Verhältnis zu anderen Flächen besonders große Mengen Kohlenstoff eingelagert.“ Werden die Moore entwässert, dann werden diese Böden „belüftet“ – der eingelagerte organische Kohlenstoff aus den tausende Jahre alten Pflanzenresten verbindet sich mit Sauerstoff aus der Luft und wird als Kohlenstoffdioxid, also CO2, frei. „Die Moore sind in Deutschland stark durch die Landwirtschaft übernutzt. Je stärker die Moore dafür trockengelegt werden, desto höher ist ihr CO2-Ausstoß.“ Die in ihnen eingelagerte Menge Kohlenstoff entspricht etwa 4.300 bis 8.600 Millionen Tonnen CO2. Zum Vergleich: insgesamt wurden 2014 in Deutschland rund 800 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt. „Wiedervernässung von Moorböden ist eine der effektivsten und volkswirtschaftlich kostengünstigsten Klimaschutzmaßnahmen. Extrem ist der globale Blick. Insbesondere die tropischen Moore sind eine tickende Zeitbombe. Entwässerte und übernutzte Waldmoore Südostasiens brennen immer wieder und tragen jedes Jahr messbar zu den weltweiten Emissionen bei“, sagt Bonn.
„Die Klimaentwicklung ist nicht klar vorhersagbar, deswegen sind solche Optionen gut, bei denen man auch in 15 Jahren nachsteuern kann.“
„Unser Konzept der Ökosystemleistungen bietet einen neuen Blickwinkel für die Bewertung von Mooren: Sie sind nicht nur Nutzfläche, sondern Klimaregulatoren.“ Früher seien Renaturierungen hauptsächlich als Naturschutzmaßnahme aufgefasst worden, nun könne Wiedervernässung von Mooren auch als naturbasierte Lösung für Klimaschutz angeführt werden. „Wichtig ist, dass Landnutzer, Naturschützer, Wissenschaftler und Politiker zusammenkommen, um informierte und ausbalancierte Entscheidungen zu treffen. Gut wäre es, wenn es uns gelingt, solche Renaturierungsmaßnahmen generell nicht als Kosten zu betrachten, sondern als vergleichsweise günstige Investitionen in die Zukunft.“ Bonn betont aber auch, dass die Wiederherstellung von Moorlandschaften nur einen Teil der CO2-Problematik abfangen kann: „Natürlich müssen wir intensiv daran arbeiten, weniger neue Treibhausgase auszustoßen.“
Zugleich plädiert Daniela Jacob für sorgfältige Planung, Hektik sei nicht zielführend. „Wir müssen herausfiltern, welche Entscheidungen wir heute treffen müssen und welche noch fünf oder sogar zehn Jahre warten können“, sagt sie. Anpassung an die Folgen des Klimawandels sei in erster Linie als Risikominimierung zu verstehen. Die genaue Entwicklung des Klimas sei nicht vorhersagbar, deswegen seien solche Optionen gut, bei denen man auch in 15 Jahren noch nachsteuern könne.
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