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Klimawandel

Stadt, Land, Fluss!

Bosco verticale Aufforstung in der Stadt – Mailands grüner Blickfang. Bild: Eugenio Marongiu/shutterstock

Wetterextreme und verschobene Jahreszeiten - der Klimawandel ist bereits jetzt spürbar. Forscher wollen die Anpassung an seine Folgen ermöglichen, die Natur kann dabei helfen.

Der Wald mitten in Mailand ragt steil nach oben. 900 Bäume wachsen dort auf den Balkonen zweier Hochhäuser in den Himmel. „Bosco verticale“ nennen die Architekten ihren Bau, zu Deutsch „vertikaler Wald“: Würde man die Bäume auf ebener Erde pflanzen, bildeten sie ein Wäldchen von 7.000 Quadratmetern.

Bei Gebäuden wie diesen Mailänder Wohntürmen, die 2014 den Internationalen Hochhauspreis gewannen, geht es nicht nur um das Aussehen. Einer durchdachten Architektur kommt im Zuge des Klimawandels eine Schlüsselrolle zu: Begrünte Fassaden und Dächer helfen mit, in überhitzten Städten die Temperaturen zu senken und schaffen ein besseres Mikroklima. Experten fassen solche Ideen unter dem Schlagwort der naturbasierten Lösungen zusammen – Ansätze, die mit der Natur arbeiten oder von ihr inspiriert sind.

Welche Folgen mit dem Klimawandel einhergehen und wie man sich dagegen wappnen kann, das erforscht Daniela Jacob, Leiterin des Climate Service Center Germany (GERICS) vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht. „Schon bei einer Erderwärmung von zwei Grad im Vergleich zu der Zeit vor der Industrialisierung werden wir sehr deutliche Veränderungen in ganz Europa sehen“, sagt sie. „Wir müssen zum Beispiel davon ausgehen, dass die Wintermonate im Norden Europas deutlich nasser werden und dass wir Europäer mehr Hitzewellen erleben werden.“ Diese Folgen betreffen Städte und Gemeinden genauso wie Privatpersonen und beispielsweise die Landwirtschaft. „Es müssen Möglichkeiten zur Anpassung gefunden werden“, sagt Jacob. Anpassungen können so aussehen wie der vertikale Wald am Mailänder Hochhaus oder schlichtweg großzügige Parkanlagen. Solche gezielten Begrünungen treten dem „Hitzeinsel-Effekt“ von Städten entgegen. Um wiederum Starkregenfällen zu begegnen, gibt es die Idee der „Sponge Cities“ – Städte werden dabei so geplant, dass sie das Wasser wie ein Schwamm aufnehmen. Speziell gestaltete Parkplätze können etwa als Überflutungsflächen für den Ernstfall dienen. „Solche Maßnahmen können von vornherein und relativ einfach in der Stadtplanung bedacht werden“, sagt Jacob. Besonders innovativ müssen Städte am Wasser sein, um den Folgen des Klimawandels entgegenzutreten: Das Stadtgebiet von Rotterdam beispielsweise besteht zu einem Drittel aus Wasser, größtenteils liegt die Hafenstadt sogar unter dem Meeresspiegel. Schon lange arbeitet man hier an natürlichen Überflutungsflächen oder an Gezeitenparks, die den Deichen vorgelagert sind und so besser vor dem Tidenhochwasser schützen sollen.

Von Wasser durchzogen – tief gelegene Hafenstädte wie Rotterdam müssen sich besonders auf steigende Pegelstände und Wetter-extreme einstellen. Bild: djama/Fotolia

Auf den Klimawandel müssen sich aber nicht nur Metropolregionen vorbereiten, sondern auch ländliche Gegenden. Dort sind die Herausforderungen andere: In der Forstwirtschaft etwa gilt es, Generationen im Voraus zu denken – zum Beispiel bei der Frage, welche Bäume für die nächsten 30 bis 60 Jahre gepflanzt werden sollen. Besonders schwierig sind die Antworten auf solche Fragen deshalb zu finden, weil die Folgen des Klimawandels regional extrem unterschiedlich sein werden. Das erfordert zum einen eine länderübergreifende Zusammenarbeit, zum anderen regionale Lösungen. „Während es bei der Vermeidung von CO2-Ausstoß um globale Strategien geht, müssen Anpassungsstrategien lokal umgesetzt werden“, sagt Daniela Jacob. Sprich: Was bedeutet der Klimawandel für die konkrete Region? Was bedeutet er für einen speziellen Wirtschaftssektor? „Es muss mit den Akteuren vor Ort herausgearbeitet werden, welches die besten Lösungswege sind. Die Wissenschaft macht dabei keine Vorgaben, sondern zeigt Optionen auf und bietet Entscheidungsträgern notwendige Hintergrundinformationen.“

Dass der Dialog vor Ort wichtig ist, gilt auch für ein Forschungsthema, mit dem sich Aletta Bonn befasst. Die Professorin leitet am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig das Department für Ökosystemleistungen und hat analysiert, welche Rolle Moore spielen, wenn es um die Milderung des Klimawandels geht – auch Mitigation genannt. 

„Moore nehmen in Deutschland rund fünf Prozent der Fläche ein. Obwohl das zunächst nicht viel zu sein scheint, sind sie für den Klimaschutz doch ein bedeutungsvolles Ökosystem“, sagt Aletta Bonn. „In ihnen sind nämlich im Verhältnis zu anderen Flächen besonders große Mengen Kohlenstoff eingelagert.“ Werden die Moore entwässert, dann werden diese Böden „belüftet“ – der eingelagerte organische Kohlenstoff aus den tausende Jahre alten Pflanzenresten verbindet sich mit Sauerstoff aus der Luft und wird als Kohlenstoffdioxid, also CO2, frei. „Die Moore sind in Deutschland stark durch die Landwirtschaft übernutzt. Je stärker die Moore dafür trockengelegt werden, desto höher ist ihr CO2-Ausstoß.“ Die in ihnen eingelagerte Menge Kohlenstoff entspricht etwa 4.300 bis 8.600 Millionen Tonnen CO2. Zum Vergleich: insgesamt wurden 2014 in Deutschland rund 800 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt. „Wiedervernässung von Moorböden ist eine der effektivsten und volkswirtschaftlich kostengünstigsten Klimaschutzmaßnahmen. Extrem ist der globale Blick. Insbesondere die tropischen Moore sind eine tickende Zeitbombe. Entwässerte und übernutzte Waldmoore Südostasiens brennen immer wieder und tragen jedes Jahr messbar zu den weltweiten Emissionen bei“, sagt Bonn.

Investition in die Zukunft: Dass die Nidda nahe der hessischen Stadt Karben renaturiert wird, führt auch zu einem besseren Hochwasserschutz. Extensiv genutzte Weiden am Ufer „darf“ der Fluss überfluten. Bild: hahilinchen/Fotolia

Eine Lösung könnte sein, mit der Natur zu arbeiten. Das würde für die Flächen in Deutschland bedeuten, noch intakte Moore zu schützen und bereits landwirtschaftlich genutzte Flächen umzugestalten, um weitere Emissionen zu vermeiden: Statt Maisfelder könnten weniger stark entwässerte Weiden angelegt werden, optimal wäre es aber, durch sogenannte Wiedervernässung den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen – oder zumindest Schilf anzubauen und so die Moore „nass“ zu nutzen.

„Die Klimaentwicklung ist nicht klar vorhersagbar, deswegen sind solche Optionen gut, bei denen man auch in 15 Jahren nachsteuern kann.“

„Unser Konzept der Ökosystemleistungen bietet einen neuen Blickwinkel für die Bewertung von Mooren: Sie sind nicht nur Nutzfläche, sondern Klimaregulatoren.“ Früher seien Renaturierungen hauptsächlich als Naturschutzmaßnahme aufgefasst worden, nun könne Wiedervernässung von Mooren auch als naturbasierte Lösung für Klimaschutz angeführt werden. „Wichtig ist, dass Landnutzer, Naturschützer, Wissenschaftler und Politiker zusammenkommen, um informierte und ausbalancierte Entscheidungen zu treffen. Gut wäre es, wenn es uns gelingt, solche Renaturierungsmaßnahmen generell nicht als Kosten zu betrachten, sondern als vergleichsweise günstige Investitionen in die Zukunft.“ Bonn betont aber auch, dass die Wiederherstellung von Moorlandschaften nur einen Teil der CO2-Problematik abfangen kann: „Natürlich müssen wir intensiv daran arbeiten, weniger neue Treibhausgase auszustoßen.“

Moorlandschaft Moore in ihrem Ursprung sind eine Seltenheit in Deutschland. Intakte Moore sind jedoch ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, denn sind sie trocken-gelegt, wird der im Torf eingelagerte Kohlenstoff freigesetzt. Bild: Tatjana Balzer/Fotolia

Bei den verschiedenen naturbasierten Ansätzen, die auf eine Abmilderung des Klimawandels zielen oder auf eine Anpassung an seine Folgen, können durchaus Widersprüche auftreten – wie jener zwischen Klima- und Naturschutz. Oder aber der Widerspruch zwischen einem kompakten, CO2-vermeidenden Städtebau und einer offeneren Bauweise, die stattdessen eine kühlende Luftzirkulation erlaubt. „Mit den Dienstleistungen des GERICS versuchen wir, von Seiten der Forschung eine gewisse Ordnung in diese vielfältigen Themenkomplexe zu bringen“, sagt Daniela Jacob. „Es ist grundsätzlich noch eine große Forschungsfrage, wie eine bessere systemische Betrachtung der Informationen und Herausforderungen gelingen kann.“ Gerade auf regionaler Ebene sei deshalb eine enge Abstimmung mit den Betroffenen wichtig. Wie also lässt sich ein Stadtsystem oder eine ganze Region den veränderten Klimabedingungen anpassen? „Dafür wäre es auch wichtig, künftig bis auf wenige Quadratkilometer genau die lokalen Auswirkungen von Klimaveränderungen berechnen zu können.“ 

Zugleich plädiert Daniela Jacob für sorgfältige Planung, Hektik sei nicht zielführend. „Wir müssen herausfiltern, welche Entscheidungen wir heute treffen müssen und welche noch fünf oder sogar zehn Jahre warten können“, sagt sie. Anpassung an die Folgen des Klimawandels sei in erster Linie als Risikominimierung zu verstehen. Die genaue Entwicklung des Klimas sei nicht vorhersagbar, deswegen seien solche Optionen gut, bei denen man auch in 15 Jahren noch nachsteuern könne.

Mehr über das Buch „Klimawandel in Deutschland“ und GERICS erfahren Sie hier: 

www.helmholtz.de/klimawandeldeutschland/

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