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Interview

„Nur noch jeder fünfte Baum ist wirklich gesund“

Abgestorbene Bäume im Bayerischen Wald im Sommer 2019. Bild: FelixMittermeier / Pixabay

Obwohl nicht so extrem wie in den Dürresommern 2018 und 2019, ist es auch in diesem Jahr zu trocken. Welche Pflanzen besonders darunter leiden und wie wir mit der Wasserknappheit umgehen können, erklärt Andreas Marx vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ.

Die Sommer 2018 und 2019 waren in Deutschland extrem trocken. Das ebenfalls zu trockene Frühjahr 2020 ließ den dritten Dürresommer in Folge befürchten. Doch der hatte bislang auch kühle und feuchte Tage – liegen wir wieder im grünen Bereich?

Auch der Juli 2020 war im gesamten Land deutlich zu trocken, abgesehen von Schleswig-Holstein. Wenn Sie das anders wahrnehmen, hängt das mit den ausgebliebenen Hitzewellen zusammen. 2018 hatten wir bereits im April die erste Phase mit Temperaturen über 30 Grad. 2019 hatten wir von Juni bis August Hitzewellen mit Extremtemperaturen. Die Zahl der Tage jenseits der 30 Grad lag um den Faktor 3,5 über dem Normalwert. Trotzdem ist die Trockenheit auch in diesem Jahr da. Seit dem Frühjahr gab es nur im Juni überdurchschnittliche Niederschläge und auch die nicht in ganz Deutschland.

Muss die Landwirtschaft in diesem Jahr mit starken Verlusten rechnen?

Für die Landwirtschaft fällt 2020 leicht unterdurchschnittlich aus, es ist bei weitem kein Katastrophenjahr. Es ist nicht die Trockenheit, die dazu geführt hat, dass die Erträge in einigen Regionen nicht optimal sind, sondern die Kombination mit den Spätfrösten. Die Tage, an denen es in diesem Winter gefroren hat, können Sie vielerorts an einer Hand abzählen. Dann kamen die Spätfröste und zerstörten die Blüten. So waren die möglichen Erträge von vornherein reduziert.

Bei den Niederschlägen ist ja auch die Frage, wie tief sie in den Boden eindringen …

Die Feuchtigkeit in den oberen 30 bis 60 Zentimetern ist entscheidend. Wenn Sie einen durchschnittlichen Niederschlag auf einen eigentlich viel zu trockenen Boden bekommen, dann reicht das für die Pflanzen oft trotzdem. Das war 2020 der Fall: Das Frühjahr sehr trocken, der trockenste April seit Wetteraufzeichnungen. Der Mai war immer noch zu trocken, aber dann hat der Juni in vielen Regionen Niederschlag gebracht und sich in großen Teilen Deutschlands der Ertrag doch noch verbessert.

Wie steht es um die Grundwasserspeicher?

Wir haben beispielsweise hier in Leipzig einen durchschnittlichen Monatsniederschlag um die 50 Liter pro Quadratmeter. Wenn sich jetzt über Monate ein Defizit aufbaut, muss eine entsprechende überdurchschnittliche Menge Niederschlag fallen, um das Defizit auszugleichen.  Ein starker Niederschlag über mehrere Tage reicht da nicht aus. Wenn Sie, wie in diesem Jahr, zum Start der Vegetationsperiode einen bis in zwei Meter Tiefe sehr trockenen Boden haben, ist es einfach unwahrscheinlich, dass sich das über den Sommer auffüllt. Das liegt an der hohen Verdunstung, die im Winter fast keine Rolle spielt und auch an den im Sommer höheren Niederschlagsintensitäten, bei denen das Wasser eher oberflächlich abläuft und nicht in den Boden einsickert.  Die Zeit, in der in Deutschland das Wasser in den Boden geht, ist hauptsächlich das Winterhalbjahr.

Zwischen 1971 und 1976 war es auch außergewöhnlich trocken. Lässt sich das mit der jetzigen Phase vergleichen?

Die jetzige Phase ist wesentlich stärker ausgeprägt und sie hat nicht erst mit dem Dürresommer 2018 begonnen. Schon 2015 hatten wir Schäden durch Trockenheit, es war ein unglaublich schlechtes Maisjahr. Das ist ein bisschen untergegangen, weil es nicht flächendeckend und nur eine einzelne Kultur war. Was 2015 schon medial aufgenommen wurde: Bereits im August verfärbten sich die Blätter. Man weiß, dass 1971 bis 1976 die Grundwasserstände in vielen Bereichen gefallen sind und sich danach wieder erholten. Deswegen muss man davon ausgehen, dass wir auch das derzeitige Extremereignis irgendwann wieder hinter uns lassen werden.

Im Vergleich zu damals haben wir aber heute einen Klimawandel, der zu dauerhaften Verschiebungen sorgen könnte.

Dr. Andreas Marx vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ ist Leiter des Mitteldeutsches Klimabüro und Wiss. Koordinator "Anpassung" in der Helmholtz Klimainitiative

Klimawandel bedeutet nicht, dass jedes Jahr alles immer extremer wird. Wir werden auch zukünftig Phasen der Normalisierung erleben. Trotzdem werden großflächige Dürren künftig häufiger und stärker auftreten. Anders als 1971-76 ist die Trockenheit zurzeit sehr viel stärker ausgeprägt. Das lange Anhalten dieser starken Trockenheit, die dritte Vegetationsperiode in Folge, diese massiven Schäden im Wald, das gab es in den 1970ern nicht. Wie groß die Veränderungen sind, sehen Sie auch an den Gewässern. Die deutlich gesunkenen Wasserspiegel in den Seen. Die Frachtschifffahrt, die etwa 2018/19 an der Elbe südlich von Magdeburg komplett eingestellt werden musste.

Die Bilder von trocken gefallenen Binnenschiffen hat man in diesem Jahr nicht, was den Eindruck verstärkt, dass es nicht so schlimm sei mit der Trockenheit.

Sie sehen auch wenig braunen Rasen. Alles, was flach wurzelt, nimmt das Wasser sehr schnell auf und erlebt einen Wachstumsschub. Rasen und Sträucher etwa. Darum sieht es in großen Teilen Deutschlands oberflächlich recht gut aus. Wenn man genauer hinschaut, gerade in den Städten, sieht man überall tote Bäume und lichte Kronen: Durch viele Bäume können Sie durchgucken. Das darf nicht sein. Das ist auch das, was die Baumzustandserhebung 2019 gezeigt hat: Einen schleichenden Prozess, der sich seit 2018 beschleunigt. Der Zustand der Wälder verschlechtert sich immer weiter und nur noch jeder fünfte Baum in Deutschland ist wirklich gesund.  Die Ursache für diesen Zustand ist die Trockenheit der letzten Jahre. Die Anpassung des Waldes hin zu Mischwäldern mit trockenresistenten Baumarten wird sicherlich Jahrzehnte dauern.

Und dann schlägt auch noch der Borkenkäfer zu …

Der Dürremonitor zeigt den Zustand des Bodens. Je intensiver die Rotfärbung, um so extremer die Trockenheit. Dürre bezeichnet die Abweichung der Bodenfeuchte vom langjährigen Zustand im jeweiligen Monat, keine absolute Trockenheit. Bild: UFZ

Der berühmteste Borkenkäfer ist der Buchdrucker. Er befällt die Fichte, die schnell wächst und gute Erträge bringt und darum als der deutsche Brotbaum gilt. Tatsächlich sind es aber über 100 Käferarten, die alle möglichen Arten von Bäumen befallen, auch Laubbäume. Was man auch nicht unbedingt erwartet: Auch Baumpilze breiten sich bei Trockenheit stark aus.

Lieben Pilze es nicht eher feucht?

Paradoxerweise ist es umgekehrt: Die Pilze sind bereits da, sie breiten sich aber erst aus, wenn der Baum zu trocken ist, um sich zur Wehr zu setzen. Das ist wie mit dem Käferbefall: Ein gesunder Baum, der gut mit Wasser und Nährstoffen versorgt ist, würde einen Borkenkäfer mit Harz fixieren, sodass er verendet. Aber ohne Wasser kann der Baum nicht verharzen.

Zu den Fichten gibt es immer mehr Stimmen, die sagen: Um diese biologisch wenig wertvollen und oft standortfremden Monokulturen ist es nicht schade. Haben die recht?

Die Fichte hat das große Problem, dass sie in den allermeisten Fällen standortfern angebaut wurde, sie gehört nicht ins Flachland. Dass sie Probleme mit sommerlicher Trockenheit hat, wusste man auch schon vor 15 Jahren. Damals sagten Förster noch zu mir: „Die Fichte bringt mir einen besseren Ertrag als alles, was ich an Alternativen habe.“ Ich muss aber auch zugeben: Ich selbst hätte auch im Leben nicht gedacht, dass wir derart schnell in diese Dürresituation kommen. Damit hätte ich nicht vor 2035 oder 2040 gerechnet.

Die Zeitbombe Klimawandel tickt immer schneller?

Bei unseren Studien, wie sich Dürre und Klimawandel entwickeln, sieht man relativ deutlich, dass man in Mitteleuropa und damit auch in Deutschland bei einer Erwärmung der Jahresdurchschnittstemperatur um drei Grad davon ausgehen muss, dass sich die Zeiten unter Dürre im Mittel über Deutschland etwa um die Hälfte verschärfen. Dieses Szenario ist keineswegs übertrieben, das ist die Richtung, in die wir entsprechend unserer Treibhausgasemissionen laufen. Viele Mittelmeerregionen haben heute schon wesentlich größere Probleme mit Dürren als wir und das wird sich auch dort noch erheblich verschärfen.

Stärker als bei uns?

Ja, denn dort kommt hinzu, dass der Jahresniederschlag zurückgeht. Das ist in Deutschland auch unter Klimawandel nicht der Fall. Bei uns werden sich die trockenen Phasen verlängern und häufiger stattfinden. Aber trotzdem bleibt der Jahresniederschlag ungefähr konstant. Die Frage ist, wie man das Wasser, das im Winter vom Himmel fällt, aufs Jahr verteilt nutzbar machen kann? Talsperren sind dafür eine schöne und relativ einfache Möglichkeit. Dafür braucht es aber zumindest ein Mittelgebirge.

Und das Einzugsgebiet ist regional sehr begrenzt …

In Sachsen wird diskutiert, ob eine Verbindung zwischen Talsperren geschaffen werden soll, um so die Versorgungssicherheit über größere Regionen besser herstellen zu können. Ein anderer Weg, der verfolgt wird, ist das Versickern von Wasser. Bei Neubaugebieten muss das Regenwasser auf der Fläche versickert werden, es soll nicht in die Kanalisation. Das kann man noch im größeren Maßstab betreiben: Über lokale Versickerung dafür sorgen, dass mehr Wasser ins Grundwasser geht, statt in Richtung Nord- und Ostsee zu laufen.

Gibt es noch mehr Möglichkeiten, sich diesen Veränderungen anzupassen? Sollten in der Landwirtschaft dürreresistentere Sorten angebaut werden?

Trockenheit als limitierender Faktor des Ertrags ist keine neue Erkenntnis. Es gibt in jedem Bundesland Stellen, die sich damit beschäftigen und entsprechende Testflächen. Eine Idee ist, den Boden weniger tief zu bearbeiten, sodass weniger Feuchtigkeit aus der gepflügten Erde verdunstet. Auch Mulchauflagen können die Verdunstung reduzieren: Im Sommer bleibt das Wasser länger auf der Fläche und hat so mehr Zeit einzusickern. Es kann aber Probleme geben, wenn sich dadurch Pilze entwickeln. Ganz grundsätzlich gilt: Alle diese Maßnahmen funktionieren in unterschiedlichen Regionen mit unterschiedlichen Böden unterschiedlich gut. Es gibt nicht das eine Allheilmittel, sondern regional unterschiedliche Maßnahmenkombinationen.

Auch nicht für den Wald?

Wenn mehrere Hektar trockenfallen, können Sie nicht bewässern – höchstens Neuanpflanzungen, mit großem Aufwand, damit die nicht sofort eingehen. Man geht weg von den Monokulturen, aber Waldumbau wird auch schon seit 30 Jahren gemacht in Deutschland. Es sind immer erst die Extremereignisse, die ein Umdenken einleiten, etwa bei den Fichtenmonokulturen. In der großen Politik wie bei den regionalen Entscheidern.

Dürremonitor Deutschland

Das mitteldeutsche Klimabüro am UFZ

Helmholtz-Klimainitiative

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