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Interview

„Der Klimawandel ist für viele bereits spürbar“

Heiße Sommer machen den Menschen in den Städten immer mehr zu schaffen. Bild: TWStock/Shutterstock

Wie wird sich das Klima in Deutschland in den nächsten Jahren und Jahrzehnten verändern? Und wie werden die Menschen damit umgehen? Ein Gespräch mit  Klaus Grosfeld und Peter Braesicke vom Forschungsverbund Regionale Klimaveränderungen – REKLIM.

Wie wird der Klimawandel unser Land in den kommenden Jahren und Jahrzehnten verändern?

Peter Braesicke: Das hängt davon ab, ob wir es schaffen, die Erderwärmung auf maximal 2 Grad besser noch auf 1,5 Grad zu begrenzen. Auch wenn das gelingt, werden die Auswirkungen so um die Mitte des Jahrhunderts deutlich zu spüren sein. Heiße und trockene Sommer, wie wir sie in den letzten beiden Jahren erlebt haben, werden häufiger. Eine große Frage wird sein, wie unsere Wälder darauf reagieren. Die Trockenheit ist dort ja schon in vielen Regionen deutlich sichtbar. Wenn die Wälder nachhaltig geschädigt werden, hat das wieder Auswirkungen, denn sie sind wichtige CO2-Speicher. Das Beispiel Wald zeigt, wie verletzlich die Ökosysteme sind.  

Wie werden die Winter aussehen? Kalte und schneereiche Winter scheint es ja immer seltener zu geben?

Klaus Grosfeld: Wir erwarten langfristig noch mildere und niederschlagsreichere Winter. Es kann aber durchaus sein, dass wir auch wieder kalte Winter bekommen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Arktis, die sich deutlich schneller erwärmt als andere Regionen der Welt. Das führt zu Verschiebungen im polaren Jet-Stream, einem Starkwindband in der Höhe, das unser Wetter in Mitteleuropa maßgeblich bestimmt. Diese Verschiebungen können auch dazu führen, dass sich im Winter eine stabile Wetterlage einstellt, in der kalte Luft aus der Arktis zu uns strömt. 

Wie unterscheiden sich die Auswirkungen auf regionaler Ebene? 

Prof. Dr. Peter Braesicke vom Karlsruher Institut für Technologie - KIT ist Wissenschaftlicher Koordinator von REKLIM. Dr. Klaus Grosfeld vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung Geschäftsführer des Forschungsverbundes. Bild: Dr. Renate Treffeisen

Peter Braesicke: Das sehen wir heute schon. In Mittel- und Ostdeutschland, wo die Sommer ohnehin eher trocken sind, wird die Trockenheit gerade in den beiden letzten Jahren zu einem Problem. In Brandenburg sinkt der Grundwasserspiegel immer weiter ab. In Süddeutschland ist mit häufigerem und heftigerem Hagel zu rechnen. Und an den Küsten muss man sich auf Hochwasser einstellen.
 
Wird es auch mehr Stürme geben?

Klaus Grosfeld: Hier muss man unterscheiden: Kleinskalige Extremereignisse, wie z. B. Hagelstürme werden zunehmen. Das lässt sich für Regionen in Süddeutschland auch schon jetzt belegen. In REKLIM konnten wir auf der anderen Seite zeigen, dass die eher großräumigen Stürme in den letzten 100 Jahren nicht häufiger aufgetreten sind. Das deckt sich nicht unbedingt mit der subjektiven Wahrnehmung. Die Häufigkeit von Stürmen in unseren Breiten ist bestimmten Zyklen unterworfen. Dekaden mit vielen Stürmen wechseln sich ab mit ruhigeren Phasen. Warum das so ist, erforschen wir derzeit.

Was wird getan, um mit den Folgen des Klimawandels künftig besser umzugehen?

Peter Braesicke: Wir als Wissenschaftler wollen vor allem das Bewusstsein dafür schärfen, dass der Klimawandel stattfindet. Das Beste wäre, wenn wir den globalen Treibausgas-Ausstoß so weit reduzieren, dass es noch gelingt, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Aber auch dann muss einiges getan werden, um mit den Folgen klarzukommen. Die Anpassungen finden ja schon statt, auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Im Agrarbereich etwa stellen sich Landwirte um und ändern die Fruchtfolgen. Städteplaner versuchen der Hitze entgegenzuwirken. Durch mehr Grünflächen, hitzegerechtes Bauen, so dass man auch künftig im Sommer ohne Klimaanlagen auskommt.

Reicht das aus?

Klaus Grosfeld: Der Großteil der Bevölkerung lebt heute in Städten. Obwohl das Umsteuern hier langsam beginnt, finde ich die Maßnahmen im Kontext der bereits beobachteten Veränderungen noch überraschend zögerlich. Aus meiner Sicht wäre es eine wichtige Anpassungsmaßnahme, den Verkehr aus den Städten herauszuhalten. Das hätte zwei Vorteile: Zum einen würden Flächen frei, die man begrünen kann und zum anderen würde die Luftqualität besser. Dadurch ließen sich die Hitzesommer in der Stadt besser ertragen. 

Wie sieht es mit der Akzeptanz von Maßnahmen aus? 

Peter Braesicke: In den Städten wird der Klimawandel für viele Menschen ganz konkret durch Einschränkungen der Lebensqualität spürbar. Die heißen Sommer machen den Menschen zu schaffen. Dadurch entsteht aber auch eine Akzeptanz für Anpassungsmaßnahmen, die Veränderungen und in mancher Hinsicht auch Einschränkungen mit sich bringen. Es ist wichtig, die Menschen in diesem Transformationsprozess mitzunehmen.

Wie kann das gelingen?

Klaus Grosfeld: Der Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ist in diesem Zusammenhang ganz wichtig. REKLIM ist primär ein Forschungsverbund. Wir wollen die Ergebnisse unserer Forschung aber im zweiten Schritt der Gesellschaft verfügbar machen. Das versuchen wir unter anderem durch unsere Regionalkonferenzen, die jedes Jahr an einem anderen Ort in Deutschland stattfinden. Dort bringen wir Wissenschaftler mit den verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren zusammen. So entsteht ein Dialog zu den für die Region spezifischen Veränderungen. Wichtig ist dabei nicht nur die Kommunikation von der Wissenschaft in die Gesellschaft, sondern auch umgekehrt. Die Wissenschaftler hören sich an, wo die Probleme liegen und nehmen sie mit in die Forschung.

Peter Braesicke: Hier zeigt sich eine der großen Stärken von REKLIM: Wir sind ein Netzwerk, an dem neun Helmholtz-Zentren beteiligt sind. Die Zentren haben in ihrer Klimaforschung den globalen Blick und sehen sozusagen das Big Picture. Auf der anderen Seite sind die Zentren aber auch in ihren Regionen verwurzelt. In unseren unterschiedlichen Dialogformaten mit der Gesellschaft, wie beispielsweise die Regionalkonferenzen, stellen wir fest, wie hoch der Stellenwert der Forschung in der Gesellschaft ist und wie wichtig es ist, gerade die regionalen Auswirkungen des Klimawandels darzulegen. Der globale Wandel ist ein abstraktes Schlagwort. Jeder Mensch erlebt nur die regionalen Auswirkungen des Klimawandels. Sie beeinflussen sein Lebensumfeld.

Das große Publikum erreichen Sie damit aber vermutlich nicht?

Klaus Grosfeld: Wir versuchen viele neue Wege zu gehen, die auch sehr erfolgreich sind. Ein Beispiel: In dem Erwachsenenbildungsprojekt klimafit wenden wir uns gezielt an Multiplikatoren im kommunalen Bereich. So wollen wir den Wandel, der in der Gesellschaft stattfinden muss, als Bottom-up-Prozess unterstützen. Das Wissen ist da und es ist enorm wichtig, es in die Gesellschaft zu tragen, um die Akzeptanz der notwendigen Anpassungsmaßnahmen, die uns allen bevorstehen, zu erhöhen. Vor allen Dingen aber Menschen zum Handeln anzuregen, denn Klimaschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe.  

Der Klimawandel scheint im Bewusstsein der Gesellschaft angekommen zu sein. Worauf führen Sie das zurück und glauben Sie, dass das ein nachhaltiges Phänomen ist?

Peter Braesicke: Ich denke, dass hier zwei Ursachen ausschlaggebend sind. Zum einen haben der Hitzesommer 2018 und auch der heiße Sommer in diesem Jahr verbunden mit einer Vielzahl von Extremereignissen in Deutschland und hoffentlich auch weltweit das Bewusstsein geschärft. Die Auswirkungen des Klimawandels werden für jeden Einzelnen spürbar. Dazu kommt, dass das Thema durch die Bewegung der jungen Menschen - Stichwort Fridays for Future - verstärkt in den Fokus gerückt ist. Das Thema ist insgesamt in der Mitte der Gesellschaft angekommen und auch die Politik ist zum Handeln aufgerufen und auch bereit dazu. Dies ist aus meiner Sicht unumkehrbar und wird auf allen Ebenen unser Denken und Handeln beeinflussen und verändern. 

Klaus Grosfeld: Da kann ich mich nur anschließen: Die erlebten Extreme und ihre mediale Begleitung haben hier eine gewisse „Überzeugungsarbeit“ geleistet. Sicherlich ist nicht jedes Extrem ein Indiz für Klimawandel – aber viele Indizien fügen sich zu einem Bild zusammen. 

Das REKLIM-Jubiläumsmagazin

Der Helmholtz-Verbund Regionale Klimaveränderungen erforscht seit zehn Jahren die Entwicklung des Klimas auf einer regionalen Skala. Besonderes Augenmerk liegt auf den Wechselwirkungen zwischen Atmopshäre, Ozean und Landoberflächen. Zum zehnjährugen Jubiläum hat der Verbund ein Magazin herausgegeben. Das Heft kann kostenlos bestellt werden unter info@reklim.de

Zum kompletten Magazin (pdf)

 

Public Engagement Day am 26. September in Berlin

Anlässlich einer internationalen wissenschaftlichen Konferenz lädt der Helmholtz-Verbund regionale Klimaveränderungen REKLIM zu einem Public Engagement Day. Auch an den anderen Konferenztagen gibt es Veranstaltungen, zu denen die Öffenltlichkeit eingeladen ist: 

Programm öffentlicher Tag

On the importance of Science Diplomacy in the Arctic realm

Main results of the IPCC Special Report on Ocean and Cryosphere in a changing climate

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