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Mobilität

Was uns in Zukunft bewegt

Bei einem Plug-In-Hybrid kann der Akku sowohl über den Verbrennungsmotor als auch über das Stromnetz geladen werden. Bild: Michael Flippo / Fotolia

Hybridfahrzeuge galten oft als Feigenblatt der Autohersteller. Doch eine neue Studie zeigt, dass sich ihre Umweltbilanz durchaus mit der von Elektroautos messen kann. Deutlich wird aber auch: Gefragt sind nicht nur neue Antriebsarten, sondern auch innovative Mobilitätskonzepte.

Benziner: hoher CO2-Ausstoß. Diesel: große Stickoxidbelastung. Unter ökologischen Gesichtspunkten schneiden Verbrennungsmotoren in der öffentlichen Debatte schlecht ab. Bis Elektrofahrzeuge jedoch eine massentaugliche Alternative sind, kann es noch eine ganze Weile dauern. Mitten in diese trüben Aussichten platzt nun eine Studie, die ein neues Licht auf den Verkehr der nahen Zukunft wirft: Plug-in-Hybridfahrzeuge sind besser als ihr Ruf, urteilen Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI).

Die Studie fällt in eine Zeit, in der die Mobi-lität nach Experteneinschätzung vor den größten Umbrüchen seit der Erfindung des Automobils steht – technologisch und politisch. Auf der technischen Seite ändern Innovationen wie Elektromotoren, selbstfahrende Fahrzeuge und vernetzte Mobilitätsangebote den Blick auf das Auto. Politisch geraten die Verbrennungsmotoren immer weiter unter Druck, vor allem nach der Aufdeckung von betrügerischen Motorsteuerungen bei Dieselfahrzeugen: Dass die ersten deutschen Großstädte schon in diesem Jahr Fahrverbote für bestimmte Autos verhängen, gilt nach einem wegweisenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts als wahrscheinlich.

Die Studie der Karlsruher Forscher könnte nun zu einer Rehabilitierung der Plug-in-Hybridfahrzeuge führen. Die haben, anders als reine E-Fahrzeuge, auch noch einen Verbrennungsmotor. Damit ist ihre Reichweite so hoch wie bei herkömmlichen Autos und sie sind unabhängiger vom noch spärlich ausgebauten Netz an Elektroladestationen. Zugleich lassen sich die Autos aber auch rein elektrisch fahren, wenn die Stromversorgung ausreicht.

"Plug-in-Hybridfahrzeuge mit einer elektrischen Reichweite von 60 Kilometern legen genauso wie reine Batteriefahrzeuge bis zu 15.000 Kilometer pro Jahr mit dem Elektroantrieb zurück."

In vielen Großstädten längst eine Selbstverständlichkeit: Leihfahrräder, die man überall in der Stadt mieten und wieder abstellen kann. Bild: Paolese/Fotolia

In ihrer Studie haben die Forscher die Fahrleistung von 49.000 reinen Elektroautos und 73.000 Plug-in-Hybridfahrzeugen in Deutschland und den USA verglichen. Das Ergebnis ihrer Auswertung: "Plug-in-Hybridfahrzeuge mit einer elektrischen Reichweite von 60 Kilometern legen genauso wie reine Batteriefahrzeuge bis zu 15.000 Kilometer pro Jahr mit dem Elektroantrieb zurück", sagt Patrick Jochem vom Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion des KIT.  
"Deshalb kann ihr Kohlendioxid-Reduktionspoten-zial ebenso groß sein wie das von Elektroautos mit reinem Batterieantrieb." Bislang hatte dieser Fahrzeugtyp trotzdem keinen allzu guten Ruf. So beschwerten sich Staatssekretäre mehrerer Ministerien im vergangenen Jahr über ihre Dienstfahrzeuge – Plug-in-Hybride. Ihre Kritik: Bei E-Antrieb sei die Reichweite zu kurz, im Verbrennungsmodus wiederum sei der Spritverbrauch höher als die offiziell angegebenen Werte. Dem entgegnet Patrick Jochem: "Plug-in-Hybride entfalten ihre Stärke, wenn die Batteriekapazität die alltäglichen Strecken abdeckt und das Fahrzeug regelmäßig geladen wird. Bezieht man noch ein, dass bei heutigen Produktionsprozessen der deutlich kleineren Batterien von Plug-in-Hybridfahrzeugen weniger CO2 freigesetzt wird als bei der Produktion der größeren Batterien für Elektrofahrzeuge, können sie sogar eine bessere CO2-Bilanz aufweisen." Außerdem könnten Hybride dazu beitragen, Vertrauen in die E-Mobilität herzustellen, da sie prinzipiell die gleiche Reichweite wie Verbrennungsautos hätten.
Diese Ausgangslage, räumen die Forscher ein, dürfte sich aber schon bald ändern, wenn die Batterieherstellung effizienter und das Netz von Schnellladesäulen dichter wird: "Dies wird in den kommenden Jahren die Ergebnisse deutlich zugunsten von reinen Elektrofahrzeugen verschieben." Die Rechnung ist schwierig, weil auch reine Elektrofahrzeuge keine ganz saubere Ökobilanz haben.

"In Zukunft wird das Auto immer noch ein wichtiger Teil unserer Mobilität sein, aber nicht mehr so zentral wie heute."

Das Projekt RegioMOVE vernetzt verschiedenste Mobilitätsformen wie Carsharing-Autos, Bahnen und Leihfahrräder. Bild: Peter Hennrich/KVV

Das fängt bei der Produktion an und setzt sich im Betrieb fort: Sauber ist der E-Antrieb nur, wenn der Strom dafür aus erneuerbaren Energien stammt. Das ist heute nicht unbedingt der Fall – und sollte der Anteil von E-Fahrzeugen in den kommenden Jahren tatsächlich deutlich ansteigen, müsste noch viel geschehen, damit Wind, Sonne und andere erneuerbare Energien diesen Bedarf decken können. "In Zukunft wird das Auto immer noch ein wichtiger Teil unserer Mobilität sein, aber nicht mehr so zentral wie heute", prognostiziert Martin Kagerbauer vom Institut für Verkehrswesen am KIT. "Die verschiedenen Verkehrsmittel werden stärker miteinander vernetzt.“ Auf absehbare Zeit werde der Besitz zwar noch zentral bleiben, Carsharing-Modelle würden aber eine größere Rolle spielen als heute.

Die Digitalisierung macht diese Entwicklung möglich: In Großstädten leihen sich heute schon immer mehr Menschen per Smartphone-App ein Fahrrad oder Auto – oder laden sich ihren Fahrschein für die U- oder S-Bahn aufs Handy. Diese Möglichkeiten bequem zu verbinden, ist Ziel des Projekts RegioMOVE. Forscher des KIT führen die Mobilitätsangebote in der Region Karlsruhe derzeit zu einem vernetzten Angebot zusammen. Der Karlsruher Verkehrsverbund (KVV) investiert rund fünf Millionen Euro in das Projekt, weitere regionale Partner beteiligen sich daran. "Neben der IT-Infrastruktur für ein smartes Informations-, Buchungs- und Bezahlsystem entwickeln wir vor allem sogenannte Ports", erläutert Kagerbauer: "Das sind Verknüpfungspunkte wie zum Beispiel Haltestellen. Dort erhält man über eine App oder ein fest installiertes Display Informationen, welche Verkehrsmittel für den weiteren Weg zur Verfügung stehen." So ließe sich etwa ohne großen Aufwand vom Bus auf ein Leihrad oder ein Auto wechseln, die dort bereitstehen. Die Ausgangsdaten dafür liefert eine detaillierte Bedarfsanalyse. Sie basiert auf dem "mikros-kopischen, agentenbasierten Verkehrsnachfragemodell" – die Wissenschaftler simulieren in einem Computerprogramm die Einwohner der Region. "Im Falle des Großraums Karlsruhe werden so rund eine Million Menschen abgebildet", sagt Kagerbauer. "Grundlage hierfür sind unter anderem die Ergebnisse von Verkehrs befragungen und Strukturdaten."

Um die Mobilitätsgewohnheiten abzubilden, modelliert Kagerbauer dann mit seinem Team über eine Woche hinweg das Verhalten aller Einwohner. "Damit können wir den Ist-Zustand erfassen und Zukunftsszenarien unter veränderten Rahmenbedingungen erstellen." Eins steht für die Forscher jetzt schon fest: Kohlendioxid und Stickoxide sollen in dieser Zukunft der Mobilität eine möglichst geringe Rolle spielen.

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