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Interview

„Tandem-Solarzellen können einen neuen Boom auslösen“

Die Photovoltaik spielt eine große Rolle, um die Energieversorgung klimafreundlich zu machen. Bild: Windwärts Energie / Mark Mühlhaus (attenzione)

Perowskite gelten als die Solarzellen der Zukunft. Was das Besondere an ihnen ist und warum sie es dennoch bisher schwer haben, sich am Markt durchzusetzen, erklärt der Physiker Michael Saliba vom Forschungszentrum Jülich.

Herr Saliba, Ihr Ziel ist, Solarzellen günstiger und effektiver zu machen. Was zeichnet Ihre Forschung aus?

Wir bewegen uns an der Schnittstelle verschiedener Wissenschaften – von der Physik über die Chemie bis zu den Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaften. Denn bei Solarzellen muss man zunächst verstehen, wie sie grundlegend funktionieren, aber auch, wie man die Industriemodule sicher transportieren kann und wie die Technologie bezahlbar bleibt. Dieser interdisziplinäre Ansatz kennzeichnet unsere Arbeit.

Sie zählen international zu den einflussreichsten Forschern auf dem Gebiet der Perowskite. Was hat es damit auf sich?

Perowskite sind aus Lösungen gewonnene, äußerst effiziente direkte Halbleiter. In Solarzellen eingebaut, sorgen sie dafür, dass Sonnenlicht in elektrischen Strom umgewandelt wird. Sie werden aus Komponenten hergestellt, die leicht verfügbar und preiswert sind, zum Beispiel aus Metallsalzen. Das macht die Fertigung besonders einfach. Vor gut zehn Jahren wurden Perowskite zum ersten Mal in Solarzellen getestet – mit Erfolg: Ihr Wirkungsgrad war von Anfang an beeindruckend und liegt derzeit bei 25,2 Prozent. Das ist eine enorme Entwicklung in so kurzer Zeit. Zum Vergleich: Silizium-Solarzellen haben aktuell – nach jahrzehntelanger Verbesserung – einen Wirkungsgrad von 26,7 Prozent, Galliumarsenid-Zellen liegen bei 29,1 Prozent.

Zwei Vorteile der Perowskit-Solarzellen haben Sie schon genannt: Sie sind günstig und effizient. Gibt es weitere Vorzüge, auch im Vergleich zu den heute gebräuchlichen Solarzellen aus Silizium?

Perowskite können besonders gut Licht aufnehmen und umwandeln. So kann eine Perowskitschicht bis zu 100 Mal dünner sein als eine Siliziumschicht und dennoch genauso viel Licht absorbieren. Daher eignen sich diese leichten, ultradünnen Materialien auch für gekrümmten Flächen, etwa als faltbare Solarzellen auf Autos oder Gebäudefassaden. Auch für Nutzungsbereiche wie tragbare Elektronik, das Internet der Dinge oder Solarzellen im Weltall kommen die Perowskitschichten prinzipiell infrage. Mir ist jedoch wichtig, beide Materialien nicht gegeneinander auszuspielen. Perowskite können wunderbar mit Silizium kombiniert werden, indem auf der Siliziumschicht eine dünne Perowskitschicht aufgetragen wird. Trifft Sonnenlicht auf die Zelle, wandelt das Perowskitmaterial vor allem das blaue Licht in Energie um, während die darunterliegende Siliziumschicht das verbleibende rote Licht zu Energie macht. Damit kann insgesamt mehr Strom aus dem Sonnenlicht gewonnen werden, was diese „Tandem-Solarzellen“ besonders effizient und interessant macht.

Welche Nachteile gibt es, und was muss passieren, damit die Markteinführung gelingt?

Bisher sind Perowskite noch nicht stabil genug. Sie bestehen aus organisch-anorganischen Verbindungen und enthalten insbesondere organische Bestandteile wie Metylammonium. Oft reagieren die organischen Bestandteile empfindlich auf Feuchtigkeit oder Hitze. Daher zerfallen sie schnell; bei den ersten Versuchen schon nach wenigen Stunden. Durch unsere Forschung konnten wir die anfälligsten Komponenten ersetzen und mehr anorganische Elemente einbringen. Verglichen mit Silizium-Solarzellen, die jahrzehntelang nutzbar sind, ist hier aber noch viel zu tun. Deshalb werden wir nun Alterungsparameter im Labor entwickeln, um die Zellen 20 bis 30 Jahre nutzen zu können. Keine leichte Aufgabe bei so einer jungen Technologie.

Am Forschungszentrum Jülich leiten Sie eine Helmholtz-Nachwuchsgruppe. Auch hier nehmen Sie neue Materialien für die Photovoltaik in den Blick. Wo stehen Sie bisher?

Unser Ziel ist es, mehr anorganische und nachhaltige Materialien zu finden. Dazu versuchen wir etwa, die bisher enthaltenen Schwermetalle durch leichtere und umweltfreundlichere Metalle wie Zinn zu ersetzen. Mit Methoden wie Hochdurchsatzverfahren und automatisierten Experimenten, die mit künstlicher Intelligenz gekoppelt werden können, arbeiten wir daran, die Perowskite besser zu verstehen und dadurch zu optimieren. Wir wollen langfristige Materialveränderungen aufdecken, die heute noch nicht vorhersehbar sind.

Bild: TU Darmstadt / Sandra Junker

Der Physiker Michael Saliba leitet das Fachgebiet „Optoelektronik“ an der TU Darmstadt und parallel eine Helmholtz-Nachwuchsgruppe am Forschungszentrum Jülich. Er zählt international zu den einflussreichsten Forschern auf dem Gebiet der Perowskite, mit denen er sich bereits seit seiner Promotion beschäftigt. Michael Saliba hat Physik und Mathematik an der Universität Stuttgart studiert, in Oxford in der Physik promoviert und war an der EPFL Lausanne für ein Marie-Curie-Fellowship.

Anfang März 2020 wurde der Materialwissenschaftler mit dem Heinz-Maier-Leibnitz-Preis ausgezeichnet, der als wichtigster deutscher Nachwuchspreis gilt und mit 20.000 Euro dotiert ist. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG vergibt den Preis seit 1977 an Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler als Anerkennung für herausragende Leistungen.

Was ist Ihr persönliches Ziel für Ihre Forschung?

Schon seit meiner Promotion beschäftige ich mich mit den Perowskiten. Mein Traum ist es, dazu beizutragen, diese Materialien grundsätzlich zu verstehen, um auch neue, darüber hinausgehende Materialfamilien entdecken zu können. Natürlich wäre es eine große Genugtuung, im Laufe des neuen Jahrzehnts die Perowskite zu kommerzialisieren und großflächig einzusetzen – von Solarzellen bis zu Röntgendetektoren in der Medizin. Hier lässt sich die Eigenschaft der Perowskite nutzen, Röntgenstrahlen in Licht umzuwandeln, um die nächste Generation hochsensibler Detektoren zu produzieren.

Deutschland will in 30 Jahren klimaneutral werden. Welche Rolle spielt dabei die Photovoltaik?

Gerade in Deutschland mit seiner exzellenten Solarenergieforschung ist die Photovoltaik besonders wichtig – und mittlerweile auch wirtschaftlich: Solarstrom ist in den letzten Jahren immer günstiger geworden. Die beschriebenen Tandem-Solarmodule aus Perowskiten und Silizium könnten hier für einen weiteren Boom sorgen, da sie schlagartig die Effizienz steigern können, ohne die Kosten zu sehr zu erhöhen. Natürlich gibt es noch offene Fragen: Wie können wir saisonale Schwankungen besser ausgleichen, Sonnenenergie effizient speichern und die Batterietechnologie verbessern? Daran wird intensiv geforscht. Doch vor allem geht es darum, grüne Technologien nicht als konkurrierend anzusehen, sondern das ganze Spektrum der erneuerbaren Energien zügig auszubauen, sodass es langfristig auch wirtschaftlich die lukrativste Art der Energiegewinnung darstellt.

Heinz-Maier-Leibnitz-Preis

Pressemitteilung Forschungszentrum Jülich

Pressemitteilung TU Darmstadt

Helmholtz-Nachwuchsgruppen

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