Infektionsforschung
Der Schwächensucher
Marc Erhardt erforscht Salmonellen. An ihnen will er einen Angriffspunkt finden und sie mit einem passenden Wirkstoff unschädlich machen. Ein Portrait
Die Entscheidung für den neuen Job war für Marc Erhardt zugleich der Schritt in eine neue Stadt: "Braunschweig kannte ich vorher noch gar nicht", sagt der Biologe, der seit Januar am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) eine Nachwuchsgruppe leitet. Seine Entscheidung hat er nicht bereut: In Braunschweig fühlt er sich längst wohl - und die Arbeit ist für ihn ein echter Traumjob.
Mit seiner Forschungsgruppe untersucht Marc Erhardt Salmonellen. So gefürchtet diese Bakterien auch sind: Über ihre Lebensweise ist noch nicht viel bekannt. Erhardt möchte jetzt herausfinden, wie Salmonellen in den menschlichen Körper eindringen können und wie sie ihn krank machen. "Auch als Grundlagenforscher habe ich ein Interesse daran, Salmonellen zu bekämpfen. Aber ich bin kein Mediziner", sagt Erhardt. Viele Ärzte greifen schnell zu Antibiotika, wenn sich Patienten eine Infektion eingefangen haben. Das ist ein Grund dafür, dass viele Bakterienstämme inzwischen gegen die gängigen Antibiotika resistent geworden sind. Marc Erhardt sucht nach Möglichkeiten, in Salmonelleninfektionen einzugreifen, ohne gleich Antibiotika einzusetzen. Deswegen forscht er daran, die molekularen Mechanismen zu verstehen, die einer Infektion zugrunde liegen. "Diese Mechanismen sind für mich die Voraussetzung, um überhaupt passende Wirkstoffe finden und einsetzen zu können", sagt Erhardt.
Sein Augenmerk liegt dabei zum Beispiel auf den Flagellen, diesen kleinen fadenähnlichen Schwänzchen an den Bakterien, mit denen sie sich fortbewegen. Wie eine Schiffsschraube treibt ein rotierendes Flagellenbündel die Bakterien an. Damit schwimmen die Salmonellen gezielt im Darm, um dort in die Zellen der Darmwand einzudringen. Diese Fortbewegung der Bakterien will Erhardt verstehen und so einen Ansatzpunkt finden, sie frühzeitig zu unterbinden. Erhardt untersucht auch das so genannte Typ-III-Sekretionssystem der Salmonellen. Er vergleicht es gern mit einer Injektionsnadel, über die die Bakterien krankmachende Giftstoffe in menschliche Zellen injizieren. Auch hier möchte Erhardt einen Ansatz finden, um die Injektionsnadeln schon früh außer Gefecht zu setzen. So können die Toxine gar nicht erst in die menschlichen Zellen gelangen. Gleichzeitig würde er damit die Bewegung der Bakterien beeinflussen, da das Typ-III-Sekretionssystem auch ein Teil des Flagellums ist.
Aber wie kommt Marc Erhardt darauf, sich tagtäglich mit für manche Menschen ekligen Bakterien zu befassen? Für ihn seien die Bakterien nicht abstoßend, zumal sie meist in einer Petrischale sind. Und unter dem Elektronenmikroskop zeigen sich faszinierende Bilder. Zufall sei seine Entscheidung für das Biologiestudium nicht gewesen: "Ich hatte einen tollen Biologielehrer beim Abitur, der uns gut motiviert hat." Bei der Salmonellenforschung landete Erhardt dann schon früh. Zum Ende seines Studiums in Ulm und Konstanz ging er für seine Diplomarbeit in die USA. Dort kam er zum ersten Mal mit Salmonellen in Kontakt. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Heidelberg zog es ihn für seine Doktorarbeit wieder in die USA zurück, wo er an der Universität von Salt Lake City promovierte. 2010 ging er dann mit einer Forschungsgruppe in die Schweiz. Seitdem bestimmen die kleinen Bakterien seinen Arbeitsalltag.
Als die Möglichkeit kam, am HZI eine Nachwuchsgruppe zur Salmonellenforschung zu leiten, musste Marc Erhardt einfach zugreifen. "Was mich aber überrascht hat, ist die viele Bürokratie auf dieser Arbeitsebene", gibt Erhardt zu. Das sei als Doktorand und Postdoc von ihm ferngehalten worden und erschwere nun schon seine aktive Forschung. In seinem Büro sind nicht nur Pinnwände voller Skizzen, Formeln und Tabellen, es reihen sich nun auch säuberlich Ordner zu Budget und Personal aneinander. Dennoch sieht er es gelassen, denn er weiß genau, wohin er will. "In fünf Jahren strebe ich eine Professur an", sagt er. Wo? Das wisse er nicht genau. Vielleicht ja sogar am Bodensee, denn da könne er seinem Hobby am besten nachgehen, dem Segeln. Aber auch für neue Städte sei er offen - schließlich hat sich der Mut zum Unbekannten für ihn in Braunschweig schon ausgezahlt.
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