Helmholtz-Corona-Expertenwissen
Die Helmholtz-Gemeinschaft hat einen signifikanten Teil ihrer Forschung schon früh auf SARS-CoV-2 ausgerichtet.
Forscher:innen in den Helmholtz-Zentren und Partnereinrichtungen bündeln ihre Expertise, um den Aufbau des Coronavirus und seine Infektionswege zu entschlüsseln, Modelle für den Verlauf der Pandemie einzusehen und wirksame Medikamente sowie Impfstoffe und Schutzmaßnahmen zu entwickeln.
Es entspricht unserem Selbstverständnis, dass wir unser so erarbeitetes Wissen der Gesellschaft in kompakter und allgemeinverständlicher Art zur Verfügung stellen. Denn fundiertes Wissen bei Bürger:innen und Entscheidungsträger:innen in Politik und Verwaltung ist ein Schlüssel zur Bewältigung der Pandemie. Mit den hier aufgelisteten FAQ (Frequently Asked Questions) möchten wir faktenbasierte Informationen bereitstellen, um Klarheit und Orientierung zu geben und zu helfen, aktuelle Debatten einzuordnen.
Die Antworten auf drängende Fragen zum Coronavirus hat ein interdisziplinär besetztes Team aus Fachleuten der Helmholtz-Gemeinschaft verfasst, gemeinsam mit ausgewählten Partnern, die Sachkenntnisse in sozio-ökonomischen und psychologischen Fragestellungen im Kontext der Pandemiebekämpfung mit einbringen. Unsere Expert:innen werden die FAQ regelmäßig überprüfen und aktualisieren. Dabei erheben wir mit dieser wissenschaftlichen Aufbereitung keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Fragen und Antworten (FAQ) - Stand: 24. Februar 2021
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Grundsätzlich muss man sich bewusstmachen, dass es Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 gibt, die ohne Symptome verlaufen. Die durch SARS-CoV-2 verursachte Erkrankung „Coronavirus Disease 2019” (COVID-19) kann ganz unterschiedlich ausfallen: von asymptomatischen über sehr leichte Verläufe bis hin zu schweren Lungen- oder sogar Systemerkrankungen, die zu Multiorganversagen führen können.
Die Vermehrung des Virus erfolgt zunächst vorwiegend im Nasen- und Rachenraum und findet bereits 24 bis 48 Stunden bevor Symptome auftreten statt. Gerade in der Anfangsphase der Infektion vermehrt sich das Virus sehr schnell. Atmen Infizierte Aerosole aus – kleinste Tröpfchen, die beim Sprechen, Singen, Atmen, Husten oder Niesen freigesetzt werden und sich stundenlang in der Luft halten –, können sich andere Personen, die diese Aerosole einatmen, mit dem Virus anstecken. Dadurch kann die Infektion auch durch infizierte Personen übertragen werden, die (noch) keine oder selbst nur sehr milde Symptome aufweisen. Da diese Menschen oft nicht wissen, dass sie infiziert sind, können sie leicht zu sogenannten „Superspreadern” werden.
In der ersten Infektionswelle im Frühjahr 2020 wurde das Virus vorwiegend von Reisenden, die von Geschäftsreisen oder z.B. aus dem Skiurlaub zurückkehrten, übertragen. Zu dieser Zeit wusste man noch nicht im Detail, wie sich das Virus verbreitet und inwiefern z.B. Mund-Nasen-Schutzmasken auch tatsächlichen Schutz bieten. In der Folge haben sich vor allem Ältere, etwa in Senioren- und Pflegeheimen, infiziert. Im Verlauf der „zweiten Welle” nach dem Sommer 2020 gab es mehr junge Erwachsene und Kinder, die sich infiziert haben. Diese haben oft einen leichteren Krankheitsverlauf, verbreiten das Virus durch eine überdurchschnittlich hohe Zahl von Sozialkontakten – etwa im Kindergarten oder in der Schule – jedoch innerhalb kurzer Zeit. Mittlerweile erkranken wieder mehr ältere Bürgerinnen und Bürger an COVID-19, was Krankenhäuser und das Gesundheitssystem generell vor große Herausforderungen stellt.
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Die Dunkelziffer beziffert den Anteil der unentdeckten COVID-19-Fälle. Sie ist keine feste Größe. Vielmehr variiert sie in unterschiedlichen Regionen, unterschiedlichen Altersgruppen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Pandemie. Die Dunkelziffer lässt sich nur schätzen. Sie hängt entscheidend von bestehenden Teststrategien, Testkapazitäten und Nachverfolgungsmöglichkeiten ab. Dazu untersucht man das z. B. Blut eines Ausschnitts der Bevölkerung und ermittelt, welcher Anteil Antikörper gegen das Virus besitzt und rechnet diese Werte auf die Gesamtbevölkerung hoch.
Die bisherigen populationsbasierten Seroprävalenzstudien und Studien der Antikörperantwort bei Blutspendern deuten auf eine 2-6-fache Untererfassung der tatsächlichen Fälle bei Erwachsenen nach der ersten Welle der Pandemie in Deutschland hin (1). Die Ergebnisse zeigen, dass sich im Frühjahr und Frühsommer zwar in einigen Hotspots ein Anteil von bis zu 16 Prozent der Erwachsenen mit SARS-CoV-2 infiziert hat, jedoch außerhalb der Hotspots die Seroprävalenz noch sehr viel niedriger ist. Der Untererfassungsfaktor lag zwischen 4 und 6.
In einer Studie, bei der fast der ganze Ort 6 Wochen vor Studienbeginn mit PCR getestet wurde, lag der Untererfassungsfaktor nur bei einem Faktor von 2. Bei Kindern ist eine 6-fache Untererfassung beschrieben (2). So waren sechsmal mehr Kinder in Bayern mit SARS-CoV-2 infiziert als gemeldet. Für die Studie wurden knapp 12.000 Blutproben von Kindern im Alter von 1 bis 12 Jahren zwischen Januar und Juli 2020 untersucht. Knapp die Hälfte (47 Prozent) der Kinder mit Antikörpern waren asymptomatisch.
Diese Studie verdeutlicht die Diskrepanz zwischen gemeldeten Infektionen und tatsächlichen Erkrankungen. Da viele Personen, bei Kindern knapp die Hälfte, keine COVID-19-typischen Symptome entwickeln, werden sie nicht getestet. Um die Dunkelziffer präziser bestimmen zu können und den Pandemieverlauf besser überwachen zu können, sind bevölkerungsweite Antikörper-Screenings daher besonders wichtig.
Referenzen:
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2. Hippich M, Holthaus L, Assfalg R, Zapardiel Gonzalo JM, Kapfelsperger H, Heigermoser M, et al. Public health antibody screening indicates a six-fold higher SARS-CoV-2 exposure rate than reported cases in children. Med (N Y). 2020.
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Das hängt stark davon ab, wie viele Fälle und Testkapazitäten Deutschland insgesamt hat. Repräsentative Tests sind hier der Schlüssel zu einem besseren Verständnis. Es liegt auf der Hand, dass eine zuverlässige Kontaktnachverfolgung bei der momentan hohen Zahl der täglichen Neuinfektionen erschwert wird. Um die Kontaktverfolgung zu erleichtern, könnte eine App zum Informationsaustausch oder ähnliche Mechanismen entwickelt werden. Wenn die Kontaktrückverfolgung einen instrumentellen Wert hat (z.B. eine direkte Belohnung als Dankeschön), könnten unter Umständen mehr Menschen davon überzeugt werden. Das zeigen auch die Erfahrungen mit moralisch relevanten Verhaltensweisen wie Blutspenden: Hier funktionieren direkte Belohnungen in der Regel gut.
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Präzise, zuverlässige Virusnachweisverfahren ermöglichen eine erfolgreiche Eindämmung der SARS-CoV-2-Pandemie. Der Goldstandard ist der Nachweis des RNA-Genoms von SARS-CoV-2 in Abstrichen aus Nase und Rachen (respiratorischen Untersuchungsmaterialien) mittels RT-PCR-Test.
Antigen-Schnelltests sind weniger empfindlich als die PCR-Tests. Bei korrekter Abstrich-Entnahme und Testdurchführung können hochinfektiöse Personen zwar schnell identifiziert werden. Allerdings sind die Antigen-Schnelltest etwas ungenauer.
Die Sensitivität eines Tests beschreibt seine Fähigkeit, mit SARS-CoV-2 infizierte Personen korrekt zu identifizieren. Die Sensitivität von SARS-CoV-2-Antigen-Schnelltests hängt wie auch bei PCR-Tests von mehreren klinischen Faktoren ab: von der Viruslast im Nasen-Rachenraum, vom Vorhandensein von Symptomen, vom Zeitpunkt der Abstrich-Entnahme vor bzw. nach Auftreten von Symptomen und nicht zuletzt von der Qualität eines Abstrichs. Da sich diese Parameter im Verlauf einer Infektion sehr schnell ändern können und Antigen-Schnelltests nur bei hoher Viruslast anschlagen, stellen sie nur eine Momentaufnahme dar. Daher hat das Ergebnis nur eine Aussagekraft für einen limitierten Zeitraum von ca. 24 Stunden. Ein negatives Testergebnis schließt das Risiko, andere anzustecken, nicht aus.
Insbesondere in einer Pflegesituation oder bei engem Kontakt mit Angehörigen kann deshalb auch bei negativem Ergebnis eines Antigen-Schnelltests ein Infektionsrisiko verbleiben. Ein negatives Testergebnis ist daher kein „Freifahrtschein“ und entbindet nicht von der strengen Einhaltung der Hygienemaßnahmen und dem Schutz vulnerabler Personengruppen in Hochrisikobereichen.
Antigen-Schnelltests sind Medizinprodukte, die gemäß Medizinprodukte-Gesetz in der gegenwärtigen Ausnahmesituation von den Herstellern selbst zertifiziert und mit einem CE-Label gekennzeichnet werden können. Hierbei werden für die bisher ca. 200 gelisteten SARS-CoV-2-Antigen-Testsysteme von den Herstellern Sensitivitäten von 88,9 bis 98,7 Prozent und Spezifitäten von 97,1 bis 100 Prozent angegeben. Die Spezifität beschreibt die Fähigkeit, diejenigen Personen korrekt zu identifizieren, die nicht mit SARS-CoV-2 infiziert sind. Erste Untersuchungen mit in Deutschland zugelassenen SARS-CoV-2-Antigen-Schnelltests verschiedener Hersteller durch unabhängige, universitäre Diagnostiklabore zeigen allerdings zum Teil eine deutlich niedrigere Leistungsfähigkeit.
Aus diesem Grund sollten zum Nachweis von SARS-CoV-2 nur solche Antigen-Schnelltests zum Einsatz kommen, die die Mindestkriterien des Paul-Ehrlich-Instituts, der Weltgesundheitsorganisation WHO und des ECDC (European Centre for Disease Prevention and Control) erfüllen und in unabhängigen, publizierten Validierungsstudien getestet wurden. Die Mindestkriterien lauten: Die Tests müssen eine Sensitivität von mindestens 80 Prozent und eine Spezifizität von mindestens 97 Prozent aufweisen.
Eine weitere Voraussetzung: Um Fehldurchführungen und Fehlinterpretationen zu vermeiden, sollten SARS-CoV-2-Antigen-Schnelltests bei stationären Patienten, bei Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen sowie in Ausbruchssituationen nur unter Anleitung von Fachkräften (in der Regel Laborpersonal, Hygienefachkräfte oder Ärzte, ggf. geschultes Pflegepersonal) durchgeführt werden. Ein positives Testergebnis muss außerdem nach den Vorgaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) durch einen PCR-Test bestätigt werden.
Antigen-Schnelltests kommen für verschiedene Zielgruppen und unterschiedliche Szenarien infrage. Mögliche Anwendungsbeispiele sind die Testung von Kategorie-1-Kontakten nach 5-tägiger Quarantäne, die initiale Erkennung von Ausbrüchen in Alten- und Pflegeheimen, die Testung von Patienten mit respiratorischen Symptomen in Arztpraxen sowie die Verkürzung der Quarantäne bei Schulkindern auf 7 Tage. Auch eine Anwendung im Rahmen des Entlass-Managements bzw. der Entisolierung von COVID-19-Patienten im Zusammenspiel mit den vom RKI definierten klinisch-anamnestischen Kriterien ist denkbar.
Referenz:
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Ende Januar wurden die ersten Erkrankungsfälle in Deutschland durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 diagnostiziert. Die ersten Häufungen von bestätigten Fällen konnten durch intensive Kontaktpersonennachverfolgung und Infektionsschutzmaßnahmen eingedämmt werden. Ab März 2020 nahm die Dynamik in Deutschland jedoch zu und bis Mitte Juni 2020 wurden etwas mehr als 190.000 laborbestätigte Fälle an das Robert Koch-Institut (RKI) übermittelt. Diese Fälle hat das RKI mit Blick auf die Krankheitsschwere in einer retrospektiven, deskriptiven Analyse ausgewertet.
Mit einem Anteil von 80 Prozent war die Mehrzahl der Infizierten mild erkrankt. Zugleich waren zwei Drittel der Fälle jünger als 60 Jahre (der Altersdurchschnitt lag bei 50 Jahren). Schwere Verläufe wurden vor allem für männliche Infizierte ab 60 Jahren mit mindestens einem Risikofaktor berichtet (zu den Risikofaktoren zählen insbesondere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, neurologische Störungen und/oder Lungenerkrankungen). Erkrankte im Alter von 40 bis 59 Jahren wiesen den längsten Zeitraum vom Erkrankungsbeginn bis zur stationären Aufnahme im Krankenhaus (Median: sechs Tage) auf. Bei Aufnahme auf einer Intensivstation wiesen sie zugleich den längsten Zeitraum mit einer intensivpflichtigen Behandlung auf (Median: elf Tage).
Referenzen:
- RKI Webseite: Krankheitsschwere der ersten COVID-19-Welle in Deutschland basierend auf den Meldungen gemäß Infektionsschutzgesetz - Journal of Health Monitoring S11/2020
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Mittlerweile dokumentieren zahlreiche valide Studien anhaltende Beschwerden nach einer COVID-19-Erkrankung, die auch nach einem milden Verlauf auftreten können. Dazu zählen insbesondere Fatigue (Zustand anhaltender Müdigkeit und Erschöpfung), Gedächtnis- und Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Fieber, Husten, Gelenk- und Muskelschmerzen, Luftnot oder Angstzustände. Unterschieden werden anhaltende Organschäden (z.B. der Lunge, der Nieren und des Herzens) durch die Virusinfektion oder Entzündungen, anhaltende Folgen durch Komplikationen der (Intensiv-)Therapie (z.B. Lungenumbau nach Beatmung) und neu aufgetretene Symptome nach Abklingen der Infektion. Derzeit werden an mehreren deutschen Kliniken Post-COVID-Ambulanzen eingerichtet, die Patienten wertvolle Informationen und Beratung bieten können. Insgesamt sind mehrjährige Beobachtungen notwendig, um Langzeitfolgen valide zu erfassen. Eine gute Literaturzusammenfassung zu möglichen Langzeitfolgen finden sich auf der Seite des Center for Disease Control and Prevention (CDC).
Weiterführende Informationen:
„Langzeitfolgen von COVID-19: Dauerhaft erschöpft nach einer Infektion?“
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Die aktuellen Behandlungsschemata werden in Leitlinien zusammengefasst. Es gibt eine Leitlinie für die stationäre Behandlung (S2k-Leitlinie – Empfehlungen zur stationären Therapie von Patienten mit COVID-19; AWMF-Register-Nr. 113/001; Stand 23.11.2020) und für die ambulante Behandlung (Neues Coronavirus SARS-CoV-2 – Informationen für die hausärztliche Praxis; DEGAM S1- Handlungsempfehlung; AWMF-Register-Nr. 053-054).
Sieben Prozent der COVID-19-Patienten benötigen eine stationäre Behandlung. In den meisten dieser Fälle liegt eine Funktionsstörung der Lunge mit reduzierter Sauerstoffaufnahme bis hin zum Lungenversagen vor. Diese wird durch die kontrollierte Gabe von Sauerstoff bis zur Beatmung behandelt. Krankenhauspatienten erhalten zudem regelmäßig eine Thromboseprophylaxe mit gerinnungshemmenden Medikamenten wie niedermolekularem Heparin.
Eine Reduktion der Sterblichkeit wurde in qualitativ hochwertigen Studien (randomisiert, kontrolliert) bisher nur für Dexamethason gezeigt. Daher sollte dieses Medikament bei Patienten mit schwerer COVID-19-Erkrankung zum Einsatz kommen. Für andere Medikamente wurde bisher kein gesicherter Wirknachweis erbracht. Die antivirale Behandlung mit dem in Europa zugelassenen Mittel Remdesivir wird in der Frühphase der Erkrankung bei einigen Krankenhauspatienten durchgeführt. Der Einsatz von Remdesivir wird aber von der Weltgesundheitsorganisation WHO nicht empfohlen. Auch weitere untersuchte Substanzen empfiehlt die WHO nicht explizit, z.B. Chloroquin/Hydroxychloroquin, Azithromycin, Interferon-beta-1b oder Lopinavir/Ritonavir. Gleiches gilt für die immunmodulierenden Medikamente Tocilizumab, Anakinra und von Blutspendern nach erfolgreich überstandener Erkrankung gewonnenes Blutplasma, dessen Einsatz außerhalb von klinischen Studien nicht empfohlen wird.
Da es keine effektiven Möglichkeiten einer ambulanten Behandlung von COVID-19-Patienten gibt, ist es besonders wichtig, diejenigen Patienten schnell zu identifizieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit einen schweren Verlauf entwickeln und ins Krankenhaus eingewiesen werden müssen. Menschen im Alter von über 60 Jahren und Männer haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf. Zu den weiteren Risikofaktoren zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes sowie Lungen- und Nierenerkrankungen.
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Neben einer Impfung ist ein weiterer wichtiger Bestandteil zur Bekämpfung von Infektionen die Entwicklung von Medikamenten gegen den Erreger. Momentan laufen weltweit dutzende Studien zur Medikamentenentwicklung gegen SARS-CoV-2. Sie können nach Art der untersuchten Substanzen klassifiziert werden.
Untersucht werden bereits zugelassene Medikamente aus den Sparten antivirale Medikamente, Herz-Kreislauf-Medikamente, dämpfende Immunmodulatoren, Medikamente für Lungenkranke sowie Medikamente anderer Art. Der Vorteil hierbei ist, dass bei diesen zugelassenen Substanzen zeitintensive Prozesse bei der Medikamentenentwicklung wie z.B. Studien zur Toxizität, Bioverfügbarkeit im Körper oder zu Nebenwirkungen nicht mehr notwendig sind. Ein Beispiel hierfür ist das Medikament Remdesivir, das ursprünglich zur Therapie eines anderen Virus, des Ebolavirus entwickelt und zugelassen wurde. Die Weltgesundheitsorganisation WHO stellt jedoch fest, dass es bisher keine eindeutigen Belege dafür gäbe, dass Remdesivir den Zustand von COVID-19-Patienten spürbar verbessert. Aus diesem Grund empfiehlt die WHO aktuell die Anwendung von Remdesivir nicht.
In einer wachsenden Zahl von Projekten versuchen Forschende außerdem, neue Medikamente gegen SARS-CoV-2 zu entwickeln. Hier kann man drei Klassen von Substanzen unterscheiden:
1. Antikörper zur Passivimmunisierung, die das Virus binden und seine Fähigkeit, Zellen zu infizieren blockieren.
2. Wirkstoffe, die gezielt an solchen viralen Faktoren angreifen, die für die Virusvermehrung notwendig sind (z.B. die virale Protease Mpro oder die virale RNA-Polymerase).
3. Wirkstoffe, die an zellulären Faktoren angreifen, die das Virus für seine Vermehrung benötigt (sogenannte Wirtszell-gerichtete Therapie).
Eine Übersicht aller laufenden Projekte für Medikamente und Impfstoffe gegen COVID-19 findet man auf der Webseite des US-amerikanischen Milken Instituts: https://docs.google.com/spreadsheets/d/16DbPhF9OD0MHHtCR12of6yUcfiRzP_-XGkynEbnipds/edit#gid=2075421071
Auch die Helmholtz-Zentren beteiligen sich aktiv an der Suche nach neuen Medikamenten.
Neben der Suche nach neuen Medikamenten müssen aber auch adäquate Angriffspunkte im Vermehrungszyklus von SARS-CoV-2 identifiziert werden. Dafür sind grundlegende Untersuchungen zur Vermehrungsstrategie des Erregers und seine Wechselwirkung mit der Zelle erforderlich. Das Ziel dabei ist, solche Angriffspunkte (Faktoren) zu finden, deren Hemmung die Virusvermehrung effizient unterbindet und die Zelle gleichzeitig nicht oder kaum beeinträchtigt. Diese Arbeit geschieht an den Helmholtz-Zentren auf mehrere Arten. So werden z.B. die 3-D-Strukturen viraler Proteine entschlüsselt und getestet, wie diese Proteine gehemmt werden können, um die Virusvermehrung zu blockieren. Oder es werden solche zelluläre Faktoren gesucht, die eine Schlüsselrolle für die Virusvermehrung und -ausbreitung spielen (z.B. Hemmstoffe des Rezeptors ACE2). Schließlich untersuchen Forscherinnen und Forscher mithilfe hochauflösender Mikroskopie solche Veränderungen in infizierten Zellen, die einen möglichen Beitrag zur Krankheitsentstehung leisten. Wirkstoffe dagegen sollten die Schwere der Krankheit abschwächen.
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Etwa 15 Tage nach Symptombeginn finden sich hohe Spiegel von Antikörpern im Blut von Infizierten. Entsprechend ist die diagnostische Güte der aktuellen Antikörpertests zur möglichen Feststellung einer Infektion zu diesem Zeitpunkt deutlich erhöht. Bei Antikörpertests, die die Antikörper IgG und IgM messen, wird die Sensitivität in systematischen Übersichten auf 84 bis 95 Prozent geschätzt; die Spezifität auf 96 bis 99,4 Prozent (1, 2). Bei Nachweis von IgG-Antikörpern kann ein bereits stattgefundener Kontakt zu SARS-CoV-2 angenommen werden, positive IgM bzw. IgA-Antikörper können möglicherweise als Indikator für einen erst kürzlich erfolgten Kontakt dienen.
Die Sensitivität eines Tests beschreibt seine Fähigkeit, mit SARS-CoV-2 infizierte Personen korrekt zu identifizieren. Die Spezifität beschreibt hingegen die Fähigkeit, diejenigen Personen korrekt zu identifizieren, die nicht mit SARS-CoV-2 infiziert sind. Für den in Deutschland häufig verwendeten Euroimmun IgG S1-Antikörpertest finden sich in diagnostischen Studien Sensitivitäten von 68 bis 100 Prozent und Spezifitäten von 92 bis 100 Prozent (3-42).
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42. Rikhtegaran Tehrani Z, Saadat S, Saleh E, Ouyang X, Constantine N, DeVico AL, et al. Performance of nucleocapsid and spike-based SARS-CoV-2 serologic assays. PloS one. 2020;15(11):e0237828.
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Diese Frage lässt sich nach wie vor nicht eindeutig beantworten. Bei einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 bildet der Körper Antikörper, die das Virus bekämpfen können, sowie bestimmte Immunzellen, sogenannte T-Zellen. Die Antikörper sind in der Regel in der zweiten Woche nach Beginn der Erkrankung nachweisbar. Allerdings nimmt unter anderem die Anzahl dieser Antikörper mit der Zeit wieder ab, insbesondere, wenn die SARS-CoV-2-Infektion ohne Symptome oder die Erkrankung an COVID-19 mit nur milden Symptomen einhergeht. Erneute Infektionen (sogenannte Reinfektionen) treten zwar selten auf, sind aber möglich. Bei Personen, die sich erneut mit SARS-CoV-2 angesteckt hatten, wurden hohe Virusmengen im Nasen- und Rachenbereich nachgewiesen. Dies könnte bedeuten, dass Personen, die sich wiederholt anstecken, auch andere Personen anstecken können. Entsprechend sollte auch nach einer Erkrankung mit COVID-19 weiterhin die AHA+L+A-Formel (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske + Lüften + Corona-Warn-App) eingehalten werden.
Referenzen:
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Eine Impfung bereitet den Körper auf eine mögliche Infektion vor. Und zwar so, dass unser Immunsystem den Erreger abwehren kann und man nicht krank wird. Dazu wird meist ein Impfstoff gespritzt. Er enthält Bestandteile oder Merkmale des Virus, kann aber die Krankheit nicht auslösen.
Doch Impfstoff ist nicht gleich Impfstoff. Manchmal wird nur ein Teil des Virus genutzt, manchmal das vollständige, aber beispielsweise durch Hitze abgetötete Virus, manchmal eine harmlose Virusvariante, die für den Körper ähnlich genug aussieht. Diese „traditionellen“ Impfstoffe sind weltweit auch gegen das Coronavirus in der Entwicklung. Doch ihre Produktion ist oft sehr langwierig. Während der Corona-Pandemie konnten Impfstoffe, die auf neuen Plattform-Technologien beruhen, am schnellsten an das neue Virus angepasst und entwickelt werden. Dazu gehören die RNA-Impfstoffe der Firmen BioNTech/Pfizer bzw. Moderna oder der Adenovirus-Impfstoff der Universität Oxford und der Firma AstraZeneca. Der RNA-Impfstoff von BioNTech/Pfizer wird seit Ende Dezember in Deutschland angewandt, der Moderna-Impfstoff ist seit dem 6. Januar 2021 in Europa zugelassen. Ein weiterer RNA-Impfstoff der Firma CureVac wird noch klinisch geprüft.
Damit beginnt die große logistische Herausforderung der großflächigen Anwendung und der gerechten Verteilung der Impfstoffe. Hierfür hat die Ständige Impfkommission (STIKO) unter Beteiligung des Ethikrats und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina Empfehlungen erstellt. Wie lange die Impfstoffe Schutz bieten werden, kann man zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht sagen, da hierzu noch keine Daten verfügbar sind. Hierüber werden Folgestudien Aufschluss geben.
Der RNA-Impfstoff besteht aus zwei Teilen: einem RNA-Molekül sowie einer Hülle aus Lipiden. Die RNA enthält die Bauanleitung für die kleinen Stacheln des Corona-Virus, das Spike-Protein, die Lipidhülle sorgt dafür, dass sie in die menschlichen Zellen gelangt. Durch jahrzehntelange Forschungsarbeit ist es gelungen, die RNA so zu modifizieren, dass die Proteinfabriken der Zelle die Fremd-RNA wie zelleigene mRNA direkt in das Protein übersetzen. So produziert die Zelle das Spike-Protein des Virus und präsentieren es auf ihre Oberfläche. Das Immunsystem kann nun Antikörper und andere Immunzellen gegen die Stacheln bilden. Sobald nach einer Ansteckung das richtige Virus in den Körper gelangt, wird er von den Antikörpern erkannt und bekämpft.
Um die Wirksamkeit der Impfstoffe zu testen, erhielten zum Beispiel im Falle von BioNTech/Pfizer ungefähr 18.000 Menschen den Impfstoff, und 18.000 Menschen bekamen nur eine Spritze mit Salzwasser (Kontrollgruppe). Im Laufe von einigen Monaten gab es in der Kontrollgruppe fast 200 zufällige Ansteckungen, in der geimpften Gruppe nur ungefähr ein Dutzend. Diese ungleiche Verteilung zeigt, dass der Impfstoff sehr wirksam ist. Zusätzlich haben die Forscher den Schutz in Tierversuchen mit Rhesusaffen nachgewiesen. Rhesusaffen sind natürlicherweise empfänglich für eine Infektion mit SARS-CoV-2 und entwickeln auch Krankheitssymptome wie eine Lungenentzündung. Sie eignen sich also als Tiermodell für die COVID-19-Erkrankung. Nach der Gabe des experimentellen Impfstoffs wurden die Tiere dem Virus ausgesetzt – sie waren jedoch geschützt, eine Infektion war nicht nachweisbar.
Referenz:
https://www.mdc-berlin.de/de/news/news/so-wirken-die-impfstoffe-gegen-corona
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Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass die Impfungen auf lange Sicht das Infektionsgeschehen deutlich einschränken werden und einen der wichtigsten Bausteine für eine langfristige Bekämpfung des Virus darstellen. Wann und in welchem Ausmaß sich dies zeigt, ist abhängig von er Impfbereitschaft der Bevölkerung, der Verfügbarkeit der Impfstoffe und der Zahl der Impfungen pro Tag. Ausgehend von aktuellen Impfraten ist eher im zweiten Halbjahr 2021 mit einem spürbaren Effekt der Impfungen auf das Infektionsgeschehen zu rechnen. Dabei muss auch bedacht werden, dass gerade die Gruppen, die aus ethischen Überlegungen wegen ihrer besonderen Gefährdung zuerst geimpft werden – etwa Menschen über 80 Jahre oder Bewohner von Pflegeheimen –, am wenigsten soziale Kontakte haben und daher auch am wenigsten zum gesamten Infektionsgeschehen beitragen. Dadurch sind gerade für diese ersten Impfungen eher moderate Effekte zu erwarten.
Für das Infektionsgeschehen gibt es verschiedene Modellrechnungen. Eine Studie aus den USA kommt beispielsweise zu dem Schluss, dass durch die Impfungen mehr als 75 Prozent der Infektionen verhindert werden könnten. Dabei wird eine Vakzinierung von 1 Prozent der Bevölkerung täglich, 50 Prozent Durchimpfung insgesamt und ein Anteil sterilisierender Immunität – das bedeutet, dass geimpfte Personen das Virus auch nicht übertragen können - von 90 Prozent angenommen. Ein anderes Modell legt nahe, dass bei einer für die USA realistischen Impfrate von 40 Prozent der Bevölkerung über 284 Tage nach etwa 100 Tagen eine Reduktion der Neuinfektionen auf die Hälfte gegenüber der erwarteten Entwicklung ohne Impfungen erfolgen könnte.
In all diese Modelle gehen Annahmen ein, die noch mit Unsicherheit behaftet sind. So ist beispielsweise noch nicht ganz klar, in wie vielen Geimpften eine sterilisierende Immunität erzeugt, also auch eine Übertragung verhindert wird. Solche Annahmen können die Modellergebnisse massiv beeinflussen. Aus grundsätzlichen Überlegungen kann man annehmen, dass die Reproduktionszahl proportional zu dem Anteil der Geimpften an der Gesamtbevölkerung und des Anteils sterilisierender Immunität unter den Geimpften sinkt.
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Die Eindämmung der Pandemie erfordert Kooperation, Rücksicht und Informationswillen so vieler Menschen wie möglich. Die folgenden Ansätze können helfen, diese zu unterstützen.
a. Soziale Normen und Vorbilder
Menschen reagieren auf das Verhalten anderer und folgen sozialen Normen (siehe Übersichten in Bicchieri/Dimant 2019, Thaler/Sunstein 2008). Die große Mehrheit der Bevölkerung möchte die Pandemie eindämmen. Es gibt eine (laute) Minderheit, die gegen Maßnahmen protestiert. Dies muss ernst genommen werden. Doch wir dürfen darüber nicht vergessen zu betonen, wie groß die Unterstützung in der Bevölkerung für viele Maßnahmen ist. Jede(r) Einzelne kann als Vorbild dienen. Bereits das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes setzt ein Zeichen. Die Vorbildfunktion von Politikern, Prominenten etc. kann zusätzlich helfen.
b. Unvermeidliche Risiken so gering wie möglich halten
Menschen gehen mit Wahrscheinlichkeiten anders um, als man es mathematisch vermuten würde (Kahnemann/Tversky 1974). Gibt es bereits ein deutliches unvermeidliches Risiko, z.B. durch den Schulbesuch der Kinder, Arbeit, öffentliche Verkehrsmittel, Arztbesuche etc., werden zusätzliche Risiken (z.B. durch Kontakte in der Freizeit) unterschätzt. Grundsätzlich sollten unvermeidliche Risiken so klein wie möglich gehalten werden. Arztpraxen, Schulen und die Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel sollten alles dafür tun, um sich so sicher wie möglich anzufühlen. Weitere Maßnahmen (z.B. Arzttermine auch am Wochenende oder abends, Online-Sprechstunden, mehr Busse und Bahnen einsetzen, entzerrter Unterricht, Luftwäscher/-filter etc.) könnten helfen.
c. Information erfahrbar machen
Viele Menschen neigen dazu, unangenehme Informationen zu ignorieren, sowohl im moralischen Kontext als auch im Gesundheitsbereich (Golman et al. 2017, Hertwig/Engel 2016, MacCoun et al. im Erscheinen). Dies gilt insbesondere, wenn Menschen Risiken nicht wahrhaben wollen und/oder ein rücksichtloses Verhalten beibehalten möchten (Dana et al. 2007, Oster et al. 2013, Ganguly/Tasoff 2017, Szech/Schweizer 2018, Falk et al. 2020, Serra-Garcia/Szech 2019). Auch im Umgang mit der Pandemie ist dieses Phänomen der Informationsvermeidung (Serra-Garcia/Szech 2020, Thunström et al. 2020a, b) zu beobachten. Menschen lernen aber durch Erfahrung und reagieren auf informative Anstupser, sogenannte „nudges“ (Malmendier/Nagel 2016, Thaler/Sunstein 2008). Die Visualisierung von Risiken (z.B. durch CO2-Ampeln in Geschäften, Arztpraxen, Schulen, in der Bahn etc.), der Wirkweise von Maßnahmen wie der physischen Distanzierung z.B. durch Simulationen, gute grafische Aufbereitung und Analogien (Beispiel: eine Virenwolke verbreitet sich wie eine Rauchwolke) können daher sehr hilfreich sein.
d. Selbstwirksamkeit, praktische Tipps, konkreter Ausblick
Menschen möchten gerne aktiv sein und die Ergebnisse ihres Handelns sehen (Marshall 2009, Norton et al. 2012). Dieser Wunsch kann so weit gehen, dass moralische Werte kompromittiert werden (Martensson-Pendrill 2006, Falk/Szech2020). Wie ist es möglich, Menschen zum Daheimbleiben zu motivieren, sodass sie sich trotzdem aktiv und selbstwirksam fühlen und die Hoffnung auf bessere Zeiten behalten? Diese Maßnahmen können helfen:
- Illustrieren, wie sehr ein paar Wochen des zuhause Bleibens beim Bewältigen der Pandemie helfen können.
- Klarmachen, dass die Zeit harter Maßnahmen nicht unbegrenzt sein wird. Ausblick geben (an Erfolge der Maßnahmen geknüpft).
- Konkrete Beispiele, wie die Zeit zuhause aktiv und sozial gestaltet werden kann: Freunde und Verwandte anrufen, damit sich niemand einsam fühlt. Kinder könnten für die Großeltern malen oder basteln. Die Großeltern können übers Telefon (oder Skype etc.) vorlesen. Briefe schreiben. Für ältere Nachbarn mit einkaufen etc.
- Ideenwettbewerbe, wie soziale Teilhabe möglich wird (z.B. digitale Plattformen, wo Menschen Schülern online bei den Hausarbeiten helfen könnten etc.).
- Praktische Tipps, wie man sich selbst psychisch und physisch gesund halten kann (Routinen, Self-Care, Sport etc.)
Referenzen:
- Bicchieri, C., Dimant, E. Nudging with care: the risks and benefits of social information. Public Choice(2019). https://doi.org/10.1007/s11127-019-00684-6
- Dana, Jason, Weber, Roberto A. and Jason Xi Kuang (2007). Exploiting Moral Wiggle Room: Experiments Demonstrating an Illusory Preference for Fairness. Economic Theory 33(1), 67-80.
- Ganguly, Ananda R., and Joshua Tasoff (2017). Fantasy and Dread: The Demand for Information and the Consumption Utility of the Future. Man- agement Science 63 (12), 4037-4060.
- Golman, Russell, Hagmann, David, and George Loewenstein (2017). Information Avoidance." Journal of Economic Literature 55 (1), 96-135.
- Hertwig, Ralph and Christoph Engel (2016). Homo Ignorans Deliberately Choosing Not to Know." Perspectives on Psychological Science 11 (3), 359- 372.
- MacCoun et al., im Erscheinen. Deliberate Ignorance: Choosing not to know, Herausgegeben von R. Hertwig and C. Engel, MIT press.
- Malmendier, U., Nagel, S. (2016). Learning from inflation experiences. The Quarterly Journal of Economics. 131(1): 53–87.
- Marshall, A. (2009).Principles of economics: Unabridged eighth edition. Cosimo, Inc.
- Martensson–Pendrill, A.-M. (2006). The manhattan project - a part of physics history.PhysicsEducation,41(6), 495–496.
- Norton, M. I., Mochon, D., & Ariely, D. (2012). The ikea effect: When labor leads to love. Journalof Consumer Psychology 22, (3), 453–46
- Oster, Emily, Shoulson, Ira, and E. Ray Dorsey (2013). Optimal Expectations and Limited Medical Testing: Evidence from Huntington Disease. American Economic Review 103 (2), 804-30.
- Serra-Garcia, Marta and Szech, Nora, The (In)Elasticity of Moral Ignorance (August 1, 2019). CESifo Working Paper No. 7555, Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=3357132
- Serra-Garcia, Marta and Nora Szech (2020). Demand for COVID-19 Antibody Testing, and Why It Should Be Free." CESifo Working Paper 8340.
- Schweizer, N., Szech, N. (2018). Optimal Revelation of Life-Changing Information. Management Science 64(11) 4967-5460.
- Thaler, R., & Sunstein, C. (2008). Nudge: Improving decisions about health, wealth, and happiness. New Haven: Yale University Press.
- Thunström, L., Ashworth, M., Shogren, J., Newbold, S., Finnoff, D. (2020a). Testing for COVID-19: Willful ignorance or selfless behavior? Behavioural Public Policy, forthcoming.
- Thunström, L., Ashworth, M., Finnoff, D., Newbold, S. (2020b, May 6). Hesitancy Towards a COVID-19 Vaccine and Prospects. Verfügbar auf SSRN: https://ssrn.com/abstract=3593098
- Tversky, A., Kahneman, D. (1974). Judgment under Uncertainty: Heuristics and Biases. Science 185(4157), 1124-1131.
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Besondere psychische Belastungen durch die Pandemie finden sich bei an COVID-19 Erkrankten, bei Menschen mit bereits bestehenden psychischen Störungen und bei Menschen, die im Gesundheitssystem tätig sind. Risikofaktoren für eine besondere Betroffenheit in der Allgemeinbevölkerung sind darüber hinaus: jüngeres Lebensalter (Altersspanne von 20 bis Ende 40), in geringerem Ausmaß weibliches Geschlecht, an COVID-19 erkrankte Verwandte, das Gefühl der sozialen Isolation und das Gefühl, nicht gut informiert zu sein. Zu diesen Fragen sowie bezüglich der langfristigen Auswirkungen auf die Psyche besteht weiterer Forschungsbedarf.
Bei akut Erkrankten kann das Virus das Gehirn befallen; es finden sich dann häufig akute Verwirrtheitszustände (Delirien). Besonders bei den Patienten, bei denen eine intensivmedizinische Behandlung notwendig wird, treten Symptome von Angst und Depression auf. Bei Menschen mit vorbestehenden psychischen Störungen kann es zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands kommen. Bei Ärzten und Pflegenden kommt es besonders dann zu psychischen Belastungssituationen, wenn Patienten aufgrund fehlender Kapazitäten nicht behandelt werden können. In der deutschen Allgemeinbevölkerung fand sich in einigen (aber nicht in allen) Studien ein Anstieg der wahrgenommenen Belastung, von Depression und Angst sowie von Suchtmittelkonsum (Alkohol/Zigaretten). Entgegen ursprünglichen Vermutungen waren junge Menschen stärker betroffen als die ältere Bevölkerung.
Je nach Risikogruppe gibt es unterschiedliche Unterstützungsmöglichkeiten. Bei akut Infizierten steht die Behandlung der Infektion sowie Maßnahmen zur Verhütung von Delirien (z.B. durch Reizabschirmung auf der Intensivstation) im Vordergrund. Menschen mit vorbestehenden psychischen Störungen sollten störungsspezifisch und ressourcenorientiert behandelt werden, um die individuellen Potenziale der Patienten aktiv zu nutzen. Möglichkeiten wie Videosprechstunden oder digitale Anwendungen können den Kontakt mit den Therapeuten auch während einer Isolation aufrechterhalten. Im Gesundheitswesen müssen sogenannte Triage-Situationen, in denen Ärzte entscheiden müssen, wen sie zuerst behandeln, möglichst vermieden werden. Wenn das nicht möglich ist, sollten die Entscheidungsprozesse so gestaltet werden, dass die Belastung der Beteiligten reduziert wird.
Referenzen:
- Vindegaard N, Benros ME. COVID-19 pandemic and mental health consequences: Systematic review of the current evidence. Brain Behav Immun. 2020;89:531-542.
- Kuehner C, Schultz K, Gass P, Meyer-Lindenberg A, Dressing H. [Mental Health Status in the Community During the COVID-19-Pandemic]. Psychiatrische Praxis. 2020.
- Christian Goetzl M et al. Social isolation, mental health, and use of digital interventions in youth during the COVID-19 pandemic: a nationally representative survey.
- Heath C, Sommerfield A, von Ungern-Sternberg BS. Resilience strategies to manage psychological distress among healthcare workers during the COVID-19 pandemic: a narrative review. Anaesthesia. 2020;75:1364-1371
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Isolationsmaßnahmen können zu einem Missverhältnis zwischen gewünschten und tatsächlichen sozialen Kontakten, also zu Einsamkeit und dem Gefühl der sozialen Isolation führen. Hierbei handelt es sich um einen chronischen Stresszustand mit negativen Folgen für die psychische Gesundheit (Angsterkrankungen, Depressionen) und auch körperlichen Folgen, z.B. auf das Herz-Kreislaufsystem. Mit der Dauer der Isolierung steigt die Wahrscheinlichkeit solcher Beschwerden an. Auch drohende oder tatsächliche Einkommensverluste sind ein möglicher Risikofaktor.
Entsprechende Präventions- und Interventionsmaßnahmen müssen daher Teil des Pandemie-Krisenmanagements sein. Die Ergebnisse aus der allgemeinen Stressforschung legen nahe, dass es hilft, gewohnte Routinen beizubehalten (z.B. in der Vorbereitung auf die Schule oder Arbeit), Bereiche der Selbstwirksamkeit (Entscheidungen über die Tagesstruktur, Freizeitaktivitäten) zu betonen, für Andere tätig zu sein (z.B. Hilfe beim Einkauf) und sich dosiert und zeitlich begrenzt aus Quellen, denen man vertraut, über die Pandemiesituation zu informieren. Auf die Selbstfürsorge (gesunde Ernährung, ausreichender Schlaf zu gewohnten Zeiten, Bewegung) sollte besonders geachtet werden.
Es ist hilfreich, wenn die Betroffenen eine Haltung der Akzeptanz gegenüber der Komplexität der Situation entwickeln. Negative Gefühle sollten zugelassen werden, jedoch sollten auch die positiven Gefühle und Aspekte betont werden (z.B. mehr Zeit für die Familie, kein Pendeln). Diese Haltung ist hilfreich und kann durch evidenzgestützte Techniken gefördert werden. Der Evidenzgrad bezüglich Interventionen gegen Einsamkeit ist begrenzt. Jedoch sollten in der Pandemiesituation die noch möglichen Kanäle zur sozialen Interaktion, auch durch den Einsatz audiovisueller Medien, intensiv genutzt werden. Das schließt Begegnungen zweier Personen ebenso ein wie alternative Formate für Gruppenaktivitäten, z.B. als Videokonferenz.
Referenzen:
- Rohr S, Muller F, Jung F, Apfelbacher C, Seidler A, Riedel-Heller SG. [Psychosocial Impact of Quarantine Measures During Serious Coronavirus Outbreaks: A Rapid Review]. Psychiatrische Praxis. 2020;47:179-189.
- Galea S, Merchant RM, Lurie N. The Mental Health Consequences of COVID-19 and Physical Distancing: The Need for Prevention and Early Intervention. JAMA Intern Med. 2020;180:817-818.
- Masi CM, Chen HY, Hawkley LC, Cacioppo JT. A meta-analysis of interventions to reduce loneliness. Pers Soc Psychol Rev. 2011;15:219-266.
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Digitale Kommunikationsformen insgesamt werden während der Pandemie viel stärker genutzt als zuvor. Dazu gehören unter anderem virtuelle Meetings, Online-Spiele, das gemeinsame Ansehen von Filmen im Party-Modus, virtuelle Essensverabredungen und die Nutzung sozialer Medien. Dem stehen die Lockdown-Maßnahmen und andere Maßnahmen zur Verringerung sozialer Kontakte gegenüber. Digitale Kommunikation (z.B. das Aufrechterhalten von Kontakten per Telefon) ist Teil der offiziellen Empfehlungen zur Bewältigung der Situation, z.B. durch die Weltgesundheitsorganisation WHO und nationale Gesundheitsdienste.
Es gibt zur Wirkung solcher Technologien auf das subjektive Wohlbefinden und die psychische Gesundheit nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen. Eine vor der Pandemie durchgeführte Meta-Analyse zeigt, dass Telefonieren und Text-Mitteilungen positiv auf das persönliche Wohlbefinden wirken, wohingegen sich Online-Spiele offenbar negativ auswirken (Liu et al., 2019). Eine negative Korrelation von Videospielen und Fernsehen, jedoch nicht bezogen auf die Nutzung sozialer Medien fand sich auch hinsichtlich der schulischen Leistung (Adelantado-Renau et al. 2019).
In Bezug auf die konkreten Auswirkungen von COVID-19 liegen kaum gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse vor. Eine erste Studie aus Italien, bei der Rückmeldungen von 465 Personen eingingen, zeigt eine Tendenz. Danach ist die Verwendung digitaler Technologien positiv mit der empfundenen sozialen Unterstützung korreliert. Je größer diese war, umso seltener traten Gefühle von Einsamkeit, Langeweile, Wut und Reizbarkeit auf. Mit dem Grad von Angst korrelierte diese empfundene soziale Unterstützung allerdings nicht. Alter und Geschlecht waren untersuchte Einflussfaktoren (Gabbiadini et al., 2020). Um ein vollständigeres Bild zu bekommen, müssten diese jedoch durch viele weitere Faktoren ergänzt und größere Stichproben untersucht werden. Dabei sollte auch berücksichtigt werden, dass die Nutzung digitaler Kommunikationsformen mit Barrieren verbunden sein kann und diese Mittel nicht allen gleichermaßen offenstehen.
Referenzen:
- Adelantado-Renau, M., Moliner-Urdiales, D., Cavero-Redondo, I., Beltran-Valls, M. R., Martínez-Vizcaíno, V., & Álvarez-Bueno, C. (2019). Association between screen media use and academic performance among children and adolescents: a systematic review and meta-analysis. JAMA pediatrics, 173(11), 1058-1067.
- Gabbiadini A, Baldissarri C, Durante F, Valtorta RR, De Rosa M, Gallucci M. Together Apart: The Mitigating Role of Digital Communication Technologies on Negative Affect During the COVID-19 Outbreak in Italy. Front Psychol. 2020 Oct 21;11:554678. doi: 10.3389/fpsyg.2020.554678. PMID: 33192807; PMCID: PMC7609360.
- Liu D, Baumeister RF, Yan C, Hu B. Digital Communication Media Use and Psychological Well-Being: A Meta-Analysis. Journal of Computer-Mediated Communication 2019, 24(5):259-273
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Die Übertragung von SARS-CoV-2 zwischen Menschen in geschlossenen Räumen erfolgt nach neuestem Wissensstand vorwiegend über kleinste in der Luft schwebende Tröpfchen, sogenannte Bioaerosole. Bioaerosole werden mit einer in der genannten Reihenfolge steigenden Anzahl beim Atmen, Sprechen, Singen und Schreien ausgestoßen. Durch Verdunstung des Wasseranteils verringert sich deren Größe weiter, sodass sie lange Zeit in der Luft schweben und sich so im Raum verteilen können [1]. Luftaustausch und Filterung der Luft in geschlossenen Räumen sind daher effektive Maßnahmen zur Beseitigung luftgetragener Keime wie SARS-CoV-2 [2].
Aktives Lüften durch offene Fenster, vor allem mittels Durchzug, ist dabei vorzuziehen, da hierdurch sowohl Keimzahlen als auch Feuchtigkeit und CO2-Gehalt der Luft gesenkt werden. Allerdings führt aktives Lüften gerade im Winter zu hohen Wärmeverlusten und steigendem Heizbedarf. Ebenso ist zu beachten, dass bei geringen Temperaturunterschieden zwischen Innen- und Außenbereich und ohne Wind nur wenig Austausch stattfindet. Quelllüftungsverfahren, die im unteren Bereich des Raums frische Luft einspeisen und im Deckenbereich absaugen, können die Aerosole effizienter aus dem Raum befördern. Hier ist die von der Körperwärme verursachte Thermik von Vorteil. Sie transportiert die Aerosole zur Decke, wo sie abgesaugt werden. Die gleichmäßige Verteilung im Raum wird so unterdrückt [3]. Quelllüftungsverfahren sind insbesondere für öffentliche Verkehrsmittel geeignet. Auch der Vorschlag des Mainzer Max-Planck-Instituts für Chemie [4], mit einem günstigen Baukastenprinzip z.B. in Schulen bei der Pandemieeindämmung zu helfen, folgt diesem Konzept der Absaugung über den Köpfen der Menschen in einem Raum.
Einem dynamischen Impulseintrag von sich bewegenden Menschen, starkem Atmen oder lautem Sprechen ohne Maske kann damit allerdings lokal nicht Rechnung getragen werden. Denn die ausgeatmeten Bioaerosole breiten sich dann durch den Atemstrahl horizontal aus oder werden in den Nachlauf des sich bewegenden Menschen gezogen. Daher wird in diesem Fall das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes empfohlen. Eine Maßnahme zur Reduzierung des horizontalen Transports von Bioaerosolen in Kopfhöhe von benachbarten Menschen ist das Aufstellen von Plexiglasschilden, die kurzfristig eine gewisse Separation der Atemluft verschiedener Menschen ermöglichen. Das kann allerdings nur einen zusätzlichen Schutz bieten und das Tragen von Masken nicht ersetzen.
Eine weitere Technologieoption ist der Einsatz mobiler oder stationärer Raumluftreinigungssysteme [5], [6]. Stationäre Systeme, sogenannte raumlufttechnische Anlagen, werden in einigen öffentlichen Gebäuden betrieben. Sie sind im Regelfall in unseren Breitengraden nur vorgesehen, wenn die Luft in Räumen oder Gebäuden hohen Standards hinsichtlich Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Anteilen schädlicher Gase oder Partikelzahlen genügen muss (z.B. in Laboren, Arbeitsstätten, Krankenhäusern oder Museen) oder wenn Lüften nicht oder nur unzureichend möglich ist (z.B. in großen Hallen, Malls oder Niedrigenergiehäusern). Raumlufttechnik verursacht grundsätzlich hohe Investitions- und Betriebskosten.
Raumlufttechnische Anlagen saugen die verbrauchte Luft ab und führen Frischluft von außen zu. Bei mobilen Raumluftreinigern hingegen saugt ein aufgestelltes Gerät Luft über einen Ventilator an und leitet diese durch einen Schwebstofffilter wieder in den Raum zurück. Der Filter besteht aus Glasfasermatten, in denen auch kleinere Aerosolpartikel effektiv abgeschieden werden. Mittlerweile gibt es eine Reihe mobiler Raumluftreinigungsgeräte am Markt, mit denen Räume leicht nachträglich ausgestattet werden können und die Aerosolpartikellast mittels Luftwechselraten von > 6 pro h in wenigen Minuten halbiert werden können [7]. Im Moment fehlt es noch an einer umfassenden Bewertung solcher Konzepte und Systeme der Umluftfilterung in Bezug auf SARS-CoV-2 und ähnliche Erreger. Offene Fragen bestehen z.B. in der Anordnung der Geräte und der Luftführung im Raum. Darüber hinaus ist ein regelmäßiger Filterwechsel notwendig. Die Kommission Innenraumlufthygiene (IRK) am Umweltbundesamt empfiehlt primär aktives Lüften. Der Einsatz von mobilen Luftreinigern ist nach Einschätzung der IRK nur ergänzend sinnvoll, wenn eine ausreichende Lüftung nicht möglich ist [8].
Beim Einsatz von mobilen Raumluftreinigern sind weitere Aspekte zu beachten. Dauergeräusche durch die Lüfter können zu Beeinträchtigungen des Wohlbefindens und der Konzentrationsfähigkeit führen. Eine weitere offene Frage ist die Überlebensfähigkeit von Viren in Filtern, insbesondere bei hoher Luftfeuchtigkeit und dauerhaftem Betrieb der Umluftgeräte. Hier ist der Wissenstand in Bezug auf SARS-CoV-2 noch unzureichend. In einigen kommerziellen Produkten sind thermische und UV-Sterilisationskonzepte integriert. Bei der Nutzung von UV-Licht sind Gefährdungspotenziale der Strahlung selbst und der Ozonbildung zu berücksichtigen. Verbesserte Konzepte zur Abtötung von Viren mittels selektivem Wärmeeintrag durch Mikrowellen sind hier ebenso zukunftsweisend wie mit antiviralen Stoffen funktionalisierte Filtermaterialien, etwa auf Basis von Titanoxid (TiO2). Allerdings besteht hier noch Forschungs- und Entwicklungsbedarf.
CO2-Ampeln können in geschlossenen Räumen zur Feststellung der Luftqualität bei zeitweisem Luftaustausch mit der Umgebung hilfreich sein. Sie messen den Anteil ausgeatmeter Luft, der sich proportional zur Menge potenzieller infektiöser Aerosole verhält. Die Integration smarter Virensensoren mit hoher Nachweisgüte in Umluftsystemen wäre eine wirksame Maßnahme, da hierdurch die Präsenz infizierter Personen feststellbar wäre. Hier befindet sich die Forschung aber noch in einem sehr frühen Stadium.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass stationäre und mobile Luftreinigungssysteme einen Beitrag zur Minderung des Infektionsrisikos bzgl. der Ausbreitung virenhaltiger Aerosole leisten können, aber keinen vollumfänglichen Schutz bieten. Insbesondere für Fälle, in denen größere Personengruppen dynamisch agieren (häufige Ortswechsel, körperliche Aktivität) und dabei möglicherweise auch Sicherheitsabstände unterschreiten, kann auch eine Luftreinigung nur begrenzt das Infektionsrisiko mindern. Daher sind solche technischen Maßnahmen nur im Zusammenspiel mit den geltenden Hygiene- und Verhaltensregeln zielführend. Sinnvoll erscheinen sie vor allem für Alten- und Pflegeheime, Büros, Museen und Konzertsäle mit eher passivem Publikum. Die Effektivität in belebten Umgebungen (Schulen, Einkaufszentren, Sporthallen und Konzertsäle mit hochaktivem Publikum) sollte durch weitere anwendungsfallspezifische Untersuchungen belegt werden.
Da Raumluftfilterung besonders für vulnerable Personengruppen zu einer Risikominderung beitragen kann, ist zumindest die Ausstattung von Alten- und Pflegeheimen mit zusätzlicher Raumlufttechnik, sei es stationär oder mobil, zu erwägen. Dies ersetzt aber keinesfalls die Benutzung von Masken bei nahem Kontakt. Grundsätzlich sollte es im Rahmen von Notfallmaßnahmen schnell möglich sein, Filter mit entsprechender Deaktivierung von Viren in stationären Anlagen nachzurüsten bzw. mobile Anlagen einzusetzen. Im Rahmen zukünftiger Entwicklungen ist zu bedenken, dass die Veränderung des Klimas mit deutlichen wärmeren Sommerperioden ebenso wie der Bau von Niedrigenergiehäusern zwangsweise zu einem vermehrten Einsatz von Raumlufttechnik führen. Hier sollten Maßnahmen zum bedarfsorientierten Betrieb von Luftfilterung für einige Gebäudeklassen, insbesondere Alten- und Pflegeheimen, Schulen, Kindertagesstätten, Kultureinrichtungen, Gaststätten, Arbeitsstätten etc. frühzeitig mitgedacht werden.
Referenzen:
- G. Buonanno, L. Stabile and L. Morawska, Estimation of airborne viral emission: Quanta emission rate of SARS-CoV-2for infection risk assessment, Environment International 141 (2020) 105794
- WHO 2020 Q&A: Ventilation and air conditioning in public spaces and buildings and COVID-19. https://www.who.int/news-room/q-a-detail/coronavirus-disease-covid-19-ventilation-and-air-conditioning-in-public-spaces-and-buildings
- R.K. Bhagat, M. S. Davies Wykes, S. B. Dalziel and P. F. Linden: Effects of ventilation on the indoor spread of COVID-19, J. Fluid Mech. (2020), vol. 903, F1
- https://www.mpic.de/4770837/eine-lueftungsanlage-fuer-schulen-zum-selberbauen
- C. Kähler, T. Fuchs, R. Hain: Können mobile Raumluftreiniger eine indirekte SARS-CoV-2 Infektionsgefahr durch Aerosole wirksam reduzieren? (05.08.2020) Universität der Bundeswehr München. https://www.unibw.de/lrt7/raumluftreiniger.pdf
- J. Curtius, M. Granzin, J. Schrod: Testing mobile air purifiers in a school classroom: Reducing the airborne transmission risk for SARS-CoV-2, University of Frankfurt, MedRxiv, https://doi.org/10.1101/2020.10.02.20205633
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C. Kähler, T. Fuchs, R. Hain: Quantification of a Viromed Klinik Akut V 500 disinfection device to reduce the indirect risk of SARS-CoV-2 infection by aerosol particles, Universität der Bundeswehr München MedRxiv, doi.org/10.1101/2020.10.23.20218099
- Einsatz mobiler Luftreiniger als lüftungsunterstützende Maßnahme in Schulen während der SARS-CoV-2 Pandemie Stellungnahme der Kommission Innenraumlufthygiene (IRK) am Umweltbundesamt, 16. November 2020
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Bei folgenden Personengruppen werden schwere Krankheitsverläufe häufiger beobachtet, daher werden sie den sogenannten Risikogruppen zugeordnet:
- ältere Personen mit stetig steigendem Risiko für einen schweren Verlauf ab etwa 50-60 Jahren. 85 Prozent der in Deutschland an COVID-19 Verstorbenen waren 70 Jahre alt oder älter (Altersmedian: 82 Jahre)
- männliches Geschlecht (1, 2)
- Raucher (4, 5, 6) (schwache Evidenz)
- stark adipöse Menschen
- Personen mit bestimmten Vorerkrankungen, ohne Rangfolge (7, 8, 9):
- des Herz-Kreislauf-Systems (z.B. koronare Herzerkrankung und Bluthochdruck)
- chronische Lungenerkrankungen (z.B. COPD)
- chronische Nieren- und Lebererkrankungen
- Patienten mit Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
- Patienten mit einer Krebserkrankung
- Patienten mit geschwächtem Immunsystem (z.B. aufgrund einer Erkrankung, die mit einer Immunschwäche einhergeht oder durch die regelmäßige Einnahme von Medikamenten, die die Immunabwehr beeinflussen und herabsetzen können, wie z.B. Cortison)
Referenzen:
- Takahashi T, Ellingson MK, Wong P, Israelow B, Lucas C, Klein J, et al. Sex differences in immune responses that underlie COVID-19 disease outcomes. Nature. 2020.
- Ortolan A, Lorenzin M, Felicetti M, Doria A, Ramonda R. Does gender influence clinical expression and disease outcomes in COVID-19? A systematic review and meta-analysis. International Journal of Infectious Diseases. 2020;99:496-504.
- Link RKI: Krankheitsschwere der ersten COVID-19-Welle in Deutschland basierend auf den Meldungen gemäß Infektionsschutzgesetz - Journal of Health Monitoring S11/2020)
- Guan W, Ni Z, Hu Y, Liang W, Ou C, He J, et al. Clinical characteristics of coronavirus disease 2019 in China. New England Journal of Medicine. 2020;382(18):1708-20.
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- Karagiannidis C, Mostert C, Hentschker C, Voshaar T, Malzahn J, Schillinger G, et al. Case characteristics, resource use, and outcomes of 10 021 patients with COVID-19 admitted to 920 German hospitals: an observational study. The Lancet Respiratory Medicine. 2020.
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- Nguyen LH, Drew DA, Graham MS, Joshi AD, Guo C-G, Ma W, et al. Risk of COVID-19 among front-line health-care workers and the general community: a prospective cohort study. The Lancet Public Health.
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Bei der Vermehrung der Erbinformation von SARS-CoV-2 kommt es zu Fehlern, die zu einer Änderung der Erbinformation führt, eine sogenannte Mutation. Ist eine Mutation für die Vermehrung des Virus nachteilig, wird sich dieses Virus nicht gegen die nicht mutierten Viren durchsetzen und deshalb verdrängt. Fördert die Mutation aber die Vermehrung des Virus, wird sich die Virusvariante gegenüber den nicht veränderten Viren durchsetzen und im Laufe der Zeit zur dominanten Variante.
Im Fall von SARS-CoV-2 wurde eine Reihe von solchen Mutationen beschrieben, die dem Virus offensichtlich einen Vorteil verschaffen. Die erste dieser Variante trat schon mit Beginn der Pandemie auf. Es handelte sich um eine Veränderung an Position 614 des Spike-Proteins. Dieses Protein ist für den Eintritt von SARS-CoV-2 in humane Zellen verantwortlich, indem es an den zellulären Rezeptor, das ACE2 bindet. Die Variante mit der Mutation an Position 614 war am Anfang der Pandemie selten, wurde aber sehr schnell dominant, was dafür spricht, dass diese Mutation die Übertragbarkeit des Virus steigert.
In jüngster Zeit wurde eine Reihe weiterer Varianten beschrieben, die als B.1.1.7, B.1.351 und P.1 bezeichnet werden. Die Mutationen in diesen Varianten betreffen auch hier das Spike-Protein, insbesondere die Region um die Rezeptorbindestelle. Am meisten Beachtung findet die Mutation an der Position 484 des Spike-Proteins. Diese ist in den Varianten B.1.351 (Vorkommen in Deutschland in Kalenderwoche 6: 0,36 Prozent) und P.1 zu finden und wird mittlerweile als sogenannte „Immune escape“-Mutation betrachtet, da sie es dem Virus ermöglicht, der Antikörperantwort teilweise zu entkommen. Sie ist mehrfach unabhängig voneinander entstanden und zwar sowohl in Südafrika als auch in Brasilien. Diese Tatsache unterstreicht die biologische Bedeutung für die Anpassung des Virus an den Menschen.
Die auf dem Markt befindlichen mRNA-Impfstoffe lösen in den Geimpften eine sehr starke Immunantwort aus, die in etwa 95 Prozent der Fälle symptomatische SARS-CoV-2-Infektionen verhindert. Aktuelle (Vor)veröffentlichungen weisen darauf hin, dass die Impfwirkung gegen die Variante B.1.351 zwar vermindert ist, diese aber immer noch neutralisiert wird, sodass nach aktuellem Wissensstand von einem Immunschutz ausgegangen werden kann. Der Vektorimpfstoff von AstraZeneca hingegen zeigte in einer jüngst vorpublizierten Studie bei Infektionen mit dieser Variante einen minimalen Schutz gegen leichte bis mittelschwere COVID-19-Verläufe. Allerdings musste im Rahmen dieser Studie niemand hospitalisiert werden oder ist an COVID-19 verstorben, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die Impfung vor schweren Krankheitsverläufen schützt und damit auch hier ein klarer klinischer Nutzen der Impfung erkennbar ist. Die Impfstoffhersteller arbeiten zurzeit bereits an angepassten Impfstoffen.
Die in Deutschland am häufigsten vorkommende Variante ist die VarianteB.1.1.7 (Vorkommen in Deutschland in Kalenderwoche 6: 22 Prozent). Die auf dem Markt befindlichen Impfstoffe bekämpfen diese Variante vergleichbar zum ursprünglichen SARS-CoV-2. Es zeigt sich allerdings, dass sich B.1.1.7 schneller verbreiten kann und eine höhere Reproduktionszahl aufweist.
Mithilfe von SARS-CoV-2-Sequenzierungen und gezielten Mutationsnachweisen wird nun in Deutschland die Ausbreitung dieser Varianten untersucht und das Auftreten neuer Varianten überwacht.
Referenzen:
1) 2. Bericht zu Virusvarianten von SARS-CoV-2 in Deutschland, insbesondere zur Variant of Concern (VOC) B.1.1.7 (Stand 17.02,2021)
2) Wu et al., 2021 bioRxiv 2021.01.25.427948; doi: doi.org/10.1101/2021.01.25.427948
3) Xie, X., Liu, Y., Liu, J. et al. Neutralization of SARS-CoV-2 spike 69/70 deletion, E484K and N501Y variants by BNT162b2 vaccine-elicited sera. Nat Med (2021). https://doi.org/10.1038/s41591-021-01270-4
4) WHO Interim recommendations for use of the AZD1222 (ChAdOx1-S [recombinant]) vaccine against COVID-19 developed by Oxford University and AstraZeneca (10.02.2021)
5) 2. Bericht zu Virusvarianten von SARS-CoV-2 in Deutschland, insbesondere zur Variant of Concern (VOC) B.1.1.7 (Stand 17.02,2021)
6, 7, 8) Ausführliche tagesaktuelle Informationen zu den Mutationen finden Sie auf der Homepage des Robert-Koch-Instituts, auf der Seite „Coronavirus Variants and Mutations“ der New York Times und auf der Seite „COVID Reference“.
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Die Corona-Warn-App könnte erstens um eine Funktion erweitert werden, die es Benutzern ermöglicht, mehr Daten bereitzustellen, wenn sie dies wünschen. Zweitens sollte es mehr Anreize für die Verwendung der App geben, die andere dazu ermutigen, sie zu verwenden. Zum Beispiel könnte die App Nutzer auffordern, Telefonnummern oder häufige Kontakte einzugeben, die dann automatisch an die zentralen Behörden weitergegeben werden könnten, wenn (und nur wenn) sie positiv getestet werden. Außerdem könnte die App Prinzipien aus den Verhaltenswissenschaften anwenden, einschließlich Gamification, oder aktuelle Corona-Nachrichten aus der Region des Nutzers bereitstellen (wie Fallkarten, aktuelle lokale Regeln, Aktualisierungen von medizinischen Nachrichten, praktische Ideen zum individuellen Schutz und des Umfelds, praktische Tipps, wie man glücklich und gesund bleibt). Informationen darüber, wie viele Infizierte es in der eigenen Nachbarschaft im Vergleich zu anderen Nachbarschaften in der Nähe gibt, könnten zu einem „freundschaftlichen Wettbewerb“ bei der Reduzierung von COVID-19-Fällen führen.
Darüber hinaus könnte die App Unterstützung für eine bequemere (und datenschutzfreundlichere) Variante der aktuellen papierbasierten Ereignis-Kontaktverfolgung bieten, z.B. durch Techniken wie CrowdNotifier (https://github.com/CrowdNotifier/documents). Wenn Nutzer beispielsweise die App verwenden und dies glaubwürdig signalisieren können, müssten sie ihre Kontaktdaten nicht mehr in Listen von Friseuren, Arbeitsplätzen, Bars und Restaurants eingeben, sofern diese geöffnet sind. Für viele Menschen fühlt sich die Nutzung der App möglicherweise sicherer und effizienter an als die derzeitigen Methoden zur Kontaktverfolgung.
Es wären auch denkbar, zwei Varianten der App anzubieten: Eine umfassendere, die mehr Daten nutzt und dadurch auch mehr Information ermöglicht, und eine Basisvariante, bei der weniger Daten genutzt werden. Wer sich für die umfassendere Variante freiwillig entscheidet, könnte genauer erfahren, wo ein riskanter Kontakt bestand – vorausgesetzt, auch die andere Person nutzt die umfassendere Version der App. Damit könnte der Nutzen von Warnungen der App deutlich gesteigert werden. Aktuell ist es oftmals schwierig, aus einer Warnung der App abzuschätzen, wie eng der Kontakt wirklich war und welches Risiko deshalb bestehen könnte. Derzeit wäre es technisch nicht möglich, den Ort zu identifizieren, an dem eine infizierte Person angetroffen wurde, aber es ist möglich, entsprechende Zeitfenster zu identifizieren.
Weiterführende Informationen:
Pandemiebewältigung: Was leistet die Corona-Warn-App?
Der Helmholtz-Pandemie-Expertenkreis
setzt sich mittlerweile aus 31 Personen zusammen; sowohl Helmholtz-internen Wissenschaftler:innen (16) als auch externen Fachleuten (15)
Herr Prof. Dr. Otmar Wiestler ist Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V. sowie Professor für Neuropathologie an der Universität Bonn.
Frau Prof. Dr. Katrin Amunts ist Direktorin des Instituts für Neurowissenschaften und Medizin am Forschungszentrum Jülich FZJ und Direktorin des Cécile und Oskar Vogt Instituts für Hirnforschung an der Heinrich Heine Universität Düsseldorf.
Herr Prof. Dr. Ralf Bartenschlager ist Leiter der Forschungsgruppe „Virale Hepatitiden und Leberkrebs“ am Deutschen Krebsforschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft DKFZ und Abteilungsleiter „Molekulare Virologie“ am Zentrum für Infektiologie des Universitätsklinikums Heidelberg.
Frau Prof. Dr. Melanie Brinkmann ist die Leiterin der Nachwuchsgruppe “Virale Immunmodulation“ am Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung HZI in Braunschweig und Professorin am Institut für Genetik an der TU Braunschweig.
Herr Dr. Friedrich von Bohlen und Halbach istGründer und CEO der Molecular Health GmbH, Mitgründer der Dievini Hopp BioTech Holding GmbH & Co. KG und Aufsichtsratsmitglied bei der CureVac AG.
Frau Prof. Dr. Alena Buyx ist Direktorin des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin sowie Inhaberin des Lehrstuhls für Ethik der Medizin und Gesundheitstechnologien an der Technischen Universität München und seit 2020 Vorsitzende des Deutschen Ethikrates.
Herr Prof. Dr. Cas Cremers ist Fakultätsmitglied am CISPA Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit und Professor für Informatik an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken.
Frau Dr. Claudia Denkinger ist Leiterin der Klinischen Tropenmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg und war davor Leiterin des Tuberkulose- und Hepatitis-Programms der Foundation for Innovative New Diagnostics, dem WHO Kollaborationszentrum für diagnostische Tests in Ländern mit mittleren und kleinen Einkommen, mit Sitz in Genf.
Frau Dr. Jördis Frommhold ist Chefärztin der Abteilung für Atemwegserkrankungen und Allergien und Fachärztin für Innere Medizin und Pneumologie an der Median Klinik in Heiligendamm.
Herr Prof. Dr. Dr. Clemens Fuest ist Präsident des ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München und Professor für Volkswirtschaftslehre „Nationalökonomie und Finanzwissenschaft“ an der LMU München.
Herr Prof. Dr. Hauke Harms ist Leiter der Abteilung Umweltmikrobiologie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig und Inhaber des Lehrstuhls für Umweltmikrobiologie an der Universität Leipzig.
Herr Prof. Dr. Dr. Uwe Hampel ist Leiter der Abteilung „Experimentelle Thermofluiddynamik“ am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf HZDR und Professor für Bildgebende Messverfahren für die Energie- und Verfahrenstechnik am Institut für Energietechnik an der TU Dresden.
Herr Prof. Dr. Dirk Heinz ist wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung HZI und Professor für Strukturbiologie an der Technischen Universität Braunschweig.
Herr Prof. Dr. Eberhard Hildt ist Leiter der Abteilung Virologie am Paul-Ehrlich-Institut und bekleidet eine entsprechende Professur an der Johann-Wolfgang-Goethe Universität in Frankfurt a.M.
Herr Prof. Dr. Michael Hölscher ist der Leiter der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin an der LMU München.
Herr Prof. em. Dr. Christoph Huber war von 1990 bis 2009 Vorsitzender der Abteilung für Hämatologie und Onkologie an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Er ist Mitbegründer der BioNTech SE und seit 2008 Mitglied im Aufsichtsrat des Unternehmens.
Herr Prof. Dr. Gérard Krause ist Leiter der Abteilung „Epidemiologie“ am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig und Lehrstuhlinhaber an der Medizinischen Hochschule Hannover.
Herr Prof. Dr. Fabian Leendertz ist Gründungsdirektor des Helmholtz-Instituts für One Health in Greifswald und hat den Lehrstuhl für One Health an der Universität Greifswald inne.
Herr Prof. Dr. Kai Maaz ist Bildungsforscher an der Goethe-Universität Frankfurt a. M. und Geschäftsführender Direktor des Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt a.M.
Herr Prof. Dr. Michael Meyer-Hermann ist Leiter der Abteilung „System-Immunologie“ am Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung HZI in Braunschweig in einer Koberufung mit der TU Braunschweig (Link).
Herr Prof. Dr. Andreas Meyer-Lindenberg ist Direktor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim und Professor für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Heidelberg, Medizinische Fakultät Mannheim.
Herr Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier ist emeritierter Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Ludwig-Maximilians-Universität München und war von 2002 bis 2010 Präsident des Bundesverfassungsgerichts.
Frau Prof. Dr. Ulrike Protzer ist Direktorin des Instituts für Virologie am Helmholtz-Zentrum Münche und Leiterin des Instituts für Virologie an der TU München.
Herr Prof. Dr. Harald Prüß leitet die Arbeitsgruppe “Autoimmune Encephalopathies” des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen DZNE und der Charité in Berlin
Herr Prof. Dr. Andreas Schröder forscht in der Abteilung Experimentelle Verfahren am Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR und hat den Lehrstuhl „Bildgebende Messverfahren“ an der BTU Cottbus-Senftenberg inne.
Herr Prof. Dr. Rolf Schwartmann ist Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht an der TH Köln, Privatdozent an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Mitglied der Datenethikkommission und Sachverständiger des Deutschen Hochschulverbandes für IT- und Datenrecht.
Herr Prof. Dr. Norbert Suttorp ist ärztlicher Leiter des Charité Centrums 12 und Direktor der medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie an der Berliner Charité.
Frau Prof. Dr. Nora Szech ist Inhaberin des Lehrstuhls für Politische Ökonomie am Karlsruher Institut für Technologie KIT.
Herr Dr. Manfred Weiss leitet die Forschergruppe „Makromolekulare Kristallographie“ am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie HZB.
Herr Ranga Yogeshwar ist Wissenschaftsjournalist, Moderator und Autor. Er hat eine Vielzahl an Fernsehformaten kreiert und moderiert, in denen komplexe wissenschaftliche Zusammenhänge einfach nachvollziehbar aufbereitet werden.